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Jede Nacht mit Charlie

Jede Nacht mit Charlie

Titel: Jede Nacht mit Charlie
Autoren: Jennifer Crusie
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begreifen. Charlies Argumente klangen richtig, aber dann waren da Grady und Beattie und Mrs. Winthrop. Auch die befanden sich nicht im Unrecht. Wieso gab es bloß keine einfache Antwort auf dieses Dilemma? Unterwegs stoppte sie bei McCarthys und gönnte sich Huhn mit Cashewnüssen und eine gebackene Banane und schloss sich zu Hause voller Selbstmitleid in ihrem Schlafzimmer ein.
    Morgen war der erste November. Charlie reiste ab, und sie stand allein da mit dem Scherbenhaufen, den er hinterließ. Nun, nicht ganz allein. Sie hatte Joe. Und Harry. Und Karen und Marcia. Selbst Mark und Lisa waren kein kompletter Verlust. Und Bill und Beattie und ganz besonders Grady. Sie würde alles tun, um ihm das Gefängnis ersparen, denn das hatte er wirklich nicht verdient.
    So ganz nebenbei bekam sie auch noch die Hauptsendezeit zurück. Mark blieb gar nichts anderes übrig. Das Letzte, was er gebrauchen konnte, war, dass sie wieder irgendeinen hergelaufenen Kerl zum Liebling Tuttles aufpolierte. Er begriff immer noch nicht, dass Charlies Erfolg nicht ihr alleiniger Verdienst war. Sie waren ein Team gewesen.
    Bei der Erinnerung legte sich ein Stahlband um ihre Brust. Höchste Zeit, dass Joe heimkam. Sie brauchte dringend Trost.
    Die Türglocke läutete. Ob er wieder seinen Hausschlüssel vergessen hatte? Mit verräterisch geröteten Augen öffnete Allie.
    Vor ihr stand Charlie. „Könnten wir bitte darüber reden?“
    Allie rang um Fassung. Eine tränenreiche Abschiedsszene war wirklich das Letzte, was sie jetzt brauchte. Charlie war ihr Problem, und nicht die Lösung. Aber wie er da stand, groß, breitschultrig und atemberaubend männlich, sah er aus, als wäre er die Lösung aller Probleme, die sie je haben würde.
    Und morgen war der erste November.
    Stocksteif saß sie neben ihm auf der Couch, damit sie nicht der Versuchung nachgab und sich an ihn schmiegte. In der hinteren Zimmerecke entdeckte sie mehrere Risse in der Decke. Einer davon beschrieb einen Bogen und erinnerte vage an Australien. In Gedanken setzte sie die Bundeshauptstädte ein, alles nur, damit sie um Himmels willen nicht in Tränen ausbrach.
    „Mein Vater hat meinem Bruder den Hals gerettet bei dessen Drogenanklage“, begann Charlie unvermittelt. „Er hat die Zeugen gekauft, Ten in eine teure Privatklinik verfrachtet und ihn rigoros abgeschottet. Damit war für ihn das Problem gelöst. Meine Mutter wurde nicht beunruhigt. Mein Bruder blieb auf freiem Fuß. Und das Gesetz … nun, das Gesetz gilt nur für arme Leute.“
    „Charlie, du musst nicht …“
    „Doch, ich muss.“ Aus seinen Augen sprach ein tiefer seelischer Schmerz. „Mein Dad regelt alles so, wie es ihm in den Kram passt. Er erwartete von Ten Erfolge – egal, um welchen Preis. Selbst Tens fragwürdige Popularität nutzte er für seine Zwecke – diesmal, um mich zu manipulieren. Da ich seine hoch gesteckten Ziele nie erreichte, wollte er zumindest, dass ich endlich sesshaft werde, also schickte er mich hierher. Dieser verdammte Brief interessierte Bill nicht die Bohne. Er tat meinem Vater einen Gefallen und gab dem verlorenen Sohn einen Job, damit er endlich Wurzeln schlägt.“
    „Ausnahmsweise scheint sein Plan schief gelaufen zu sein. Du ziehst morgen weiter …“
    „Ich mache genau dasselbe“, fuhr Charlie dazwischen. „Was Grady angeht, bin ich zweifelsfrei im Recht. Trotzdem erscheint es mir falsch. Ich fühle mich wie ein schwacher Abklatsch meines diktatorischen Dads.“
    „Du bist nicht wie dein Vater.“ Allie drückte seine Hand. „Du reißt dich nicht gerade um Verantwortung. Du schreibst nie jemandem vor, was er zu tun hat.“
    „Warum klingt das nur so schlecht?“ Charlie sank zurück in die Polster. „Heute Abend habe ich meine Siebensachen in den Wagen gepackt. Da mein Job erledigt war, gab es keinen Grund mehr, länger zu bleiben. Solltest du doch Opern spielen, bis du einen anderen Schwachkopf findest, den du zum Star aufbauen kannst. Aber dann saß ich einfach nur da und dachte: ‚Wo will ich eigentlich hin?‘“ Sein Blick fiel auf ihre ineinander verschränkten Hände. „Allie, ich liebe dich. Ohne dich will ich nirgendwo hingehen. Du bist das Einzige, was für mich zählt.“
    „Ich …“ Ihre Stimme brach.
    „Verlass mich niemals.“ Ein inniger Kuss überzeugte Allie von der Tiefe seiner Gefühle.
    Das Instrumentalstück im Radio wurde ausgeblendet. „Dies wird für eine Weile meine letzte Sendung sein, Freunde“, meldete sich Grady. „Ich habe das
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