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Jan Fabel 06 - Tiefenangst

Titel: Jan Fabel 06 - Tiefenangst
Autoren: Craig Russell
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werde es Ihnen sagen. Eine junge Umweltschützerin und Webjournalistin, die sich Meliha Yazar nannte, drang in Ihre Organisation ein. Irgendwie verschaffte sie sich Zugang zu den tiefsten Ebenen des Projekts und entdeckte etwas Folgenreiches. So folgenreich, dass es zum Zusammenbruch des Projekts führen konnte. Und weil sie dieses Wissen erworben hatte, ließen Sie Meliha Yazar umbringen. Dann ließen Sie auch Berthold Müller-Voigt, ihren Liebhaber, ermorden, weil Sie dachten, sie habe die Information an ihn weitergegeben. Sie haben sogar angeordnet, dass ich von einem Pier in die Elbe gestoßen wurde, weil Sie dachten, dass ich der Wahrheit nahekäme, was zutraf.«
    »Sie werden uns doch sicher noch darüber aufklären?«, fragte Wiegand. Offensichtlich fühlte sich der Milliardär nicht bedroht. Er wusste, dass es die eine Sache war, einen Verdacht zu äußern, und eine ganz andere, ihn dann auch gerichtstauglich zu belegen. Seine Anwältin schwieg.
    »Lassen Sie uns als Erstes über den Tod von Daniel Föttinger reden. Auch den haben Sie arrangiert. In Wirklichkeit steuern Ihre Konsolidierer die Beschützer Gaias, und Sie haben den armen, verwirrten Niels Freese benutzt, um Föttinger ermorden zu lassen.«
    »Und warum sollte mein Mandant so etwas tun?«, erkundigte sich Harmsen.
    »Wegen des großen Geheimnisses, das Meliha Yazar entdeckte und dessen Veröffentlichung Herr Wiegand mit allen Kräften verhindern wollte.«
    »Und worin besteht dieses ›große Geheimnis‹?«
    »In der Tatsache, dass Daniel Föttinger der Network-Killer war.«
    Es kam zu einer Pause. An Wiegands Gesicht ließ sich nichts ablesen, doch die Anwältin schien an Selbstsicherheit verloren zu haben.
    Fabel wandte sich wieder an Wiegand. »Während Föttinger immer stärker von Ihren verrückten Ideen angezogen wurde – Ideen, die seine Erfahrung, genau wie die von Niels Freese, plausibel machten –, geriet er völlig außer Kontrolle. Er verbrachte bis zu sechs Stunden pro Nacht damit, Virtual Dimension zu besuchen und ein Ersatzleben zu führen, das zunehmend auf die reale Welt übergriff. Er verabredete sich online mit Frauen, vergewaltigte und erwürgte sie, um dann ihre Leichen in die Wasserstraßen der Stadt zu werfen. Sie wussten Bescheid, konnten ihn aber nicht bremsen. Wahrscheinlich fanden Sie es erst heraus, nachdem Sie Meliha Yazar gefangen hatten. Habe ich recht?«
    Wiegand blieb teilnahmslos und stumm.
    »Also führten Ihre Konsolidierer eine Säuberungsaktion durch«, fuhr Fabel fort, »indem sie alle Spuren der Onlinekontakte von Föttinger mit Julia Henning und den anderen Opfern löschten. Sie ließen die Leiche von Frau Henning sogar bis nach Föttingers Tod kalt lagern, damit er nicht mit den Morden in Verbindung gebracht wurde.«
    Nach einem weiteren kurzen Schweigen brach Wiegand in Gelächter aus. Seine Anwältin verzog jedoch keine Miene.
    »Wissen Sie was, Herr Fabel?« Wiegand beugte sich vor; sein glatt rasierter Schädel glänzte im künstlichen Licht des Vernehmungszimmers, und seine Augen funkelten kalt. »Sie sind derjenige, der mit der Realität nicht fertig wird. All das ist absurd. Pure Fantasie.«
    »Wirklich? Jedenfalls war die Sache sehr peinlich für Sie, denn Sie hatten Föttingers Bewusstsein ein bisschen zu gründlich und zu schnell manipuliert. Er besaß soziopathische Tendenzen, die aber nicht sofort ins Auge sprangen und die eine nicht unerwünschte Rücksichtslosigkeit im Geschäftsleben bewirkten. Allerdings wussten Sie nicht, dass er mehrere Male sexuellen Missbrauch begangen hatte, die sein Papa durch Einwirkung auf die Opfer vertuschte. Ihre verrückten Theorien bestärkten ihn in seinem Überlegenheitsgefühl und seinem Glauben, dass manche Mitbürger keine realen Menschen seien; dass dies hier vielleicht gar keine Realität, sondern eine Art Simulation, ein Spiel sei. Er könnte sich eingeredet haben, dass die Frauen, die er vergewaltigte und erwürgte, gar nicht spürten, was er ihnen antat. Weil sie philosophische Zombies waren, die man lediglich darauf programmiert hatte, Angst und Schmerz vorzutäuschen.«
    »Haben Sie konkrete Beweise für Ihre Behauptungen?«, fragte Harmsen.
    »Das war der Zweck der Razzien von heute Morgen. Die erste brachte wenig. Im Hauptquartier der Beschützer Gaias war eine junge Frau – dieselbe junge Frau, die versucht hatte, mich zu belasten, indem sie sich als Julia Henning ausgab, bevor die Leiche entdeckt wurde. Wie auch immer, sie war wie eine
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