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James, Henry

James, Henry

Titel: James, Henry
Autoren: Benvolio
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vollkommen vertraut miteinander. Im Tausch für meine Zigarre nannte er mir seinen Namen; dabei lag etwas in seiner Stimme, was anzudeuten schien, dass ich keineswegs das schlechtere Geschäft gemacht hätte. Sein Name ist Richard Blunt,«obwohl mich die meisten der Kürze halber einfach Kapitän nennen», fügte er hinzu. Dann erkundigte er sich nach meinem Namen und meinen Absichten. Ich belog ihn nicht, erzählte ihm aber nur die halbe Wahrheit, und wenn er sich deshalb irgendwelche romantischen Vorstellungen von mir macht, nun ja, dann soll er das ruhig tun, Gott schütze seine schlichte Seele! In Wirklichkeit verhält es sich so, dass ich mit der Vergangenheit gebrochen habe. Ich bin – wie ich glaube, ruhig und überlegt – zu dem Entschluss gelangt, dass es um meines Erfolges, jedenfalls aber um meines Glückes willen erforderlich ist, eine Weile lang meinem bisherigen Selbst abzuschwören und ein einfaches, ungekünsteltes Wesen anzunehmen. Wie kann ein Mann einfach und ungekünstelt sein, von dem man weiß, dass er hunderttausend im Jahr hat? Das ist der größte Fluch. Es ist schlimm genug, sie zu haben;
dass bekannt ist, dass man sie hat, ja lediglich bekannt zu sein, weil man sie hat, ist absolut verdammenswert. Vermutlich bin ich zu stolz, um glücklich reich zu sein. Nun will ich sehen, ob Armut das Richtige für mich ist. Ich habe einen Neubeginn gewagt. Ich habe beschlossen, einzig und allein auf meine eigenen Verdienste zu bauen. Scheitere ich damit, werde ich auf meine Millionen zurückgreifen; doch mit Gottes Hilfe werde ich meine Fähigkeiten erproben und feststellen, aus welchem Stoff ich bin. Jung sein, stark sein, arm sein – das ist, in diesem gesegneten neunzehnten Jahrhundert, die wesentliche Basis für soliden Erfolg. Ich habe den Entschluss gefasst, wenigstens einen kleinen Schluck aus den reinen Quellen der Inspiration meiner Zeit zu nehmen. Ich antwortete dem Kapitän mit jener Zurückhaltung, wie eine kurze Prüfung dieser Grundsätze sie gebot. Welch eine Wonne ist es, in der Vorstellung eines armen Mannes als sein Bruder durchzugehen! Ich fange an, Achtung vor mir zu haben. So viel weiß der Kapitän: dass ich ein gebildeter Mann bin mit einer Neigung zur Malerei; dass ich hierhergekommen bin, um diese Neigung durch das Studium der Küstenlandschaft zu befördern, aber auch um meiner Gesundheit willen. Zudem habe ich Anlass
zu glauben, dass er meine finanziellen Mittel für beschränkt und mich für einen recht sparsamen Menschen hält. Amen! Vogue la galère! 6 Den Höhepunkt meiner Geschichte bildet jedoch sein äußerst gastfreundliches Angebot, mir Unterkunft zu gewähren. Ich hatte ihm von meinen diesbezüglich erfolglosen Bemühungen vom Vormittag erzählt. Er ist eine seltsame Mischung aus einem Gentleman der alten Schule und einem altmodischen, hitzköpfigen Handelskapitän. Ich nehme an, gewisse Züge dieser Charaktere sind beliebig austauschbar.
    « Junger Mann», sagte er, nachdem er mehrmals nachdenklich an seiner Zigarre gezogen hatte,«ich sehe nicht ein, warum Sie in einem Wirtshaus wohnen sollen, wenn es um Sie herum Leute gibt, die so viel Platz im Haus haben, dass sie gar nicht wissen, was sie damit anfangen sollen. Ein Wirtshaus ist kein richtiges Haus, geradeso wie diese neumodischen Schraubendampfer keine richtigen Schiffe sind. Wie wäre es, wenn Sie mitkommen und sich die Sache ansehen? Ich besitze ein ganz respektables Haus dort hinten, links von der Stadt. Sehen Sie die alte Werft mit den baufälligen Lagerhäusern und die lange Ulmenreihe dahinter? Ich wohne inmitten der Ulmen. Wir haben den hübschesten kleinen
Garten auf der ganzen weiten Welt, er reicht bis zum Meer hinunter. Es ist so ruhig, wie es nur sein kann, fast wie auf einem Friedhof. Die hinteren Fenster gehen auf den Hafen hinaus, wissen Sie, und Sie können zwanzig Meilen die Bucht hinauf und fünfzig Meilen aufs Meer hinaus sehen. Dort können Sie den lieben langen Tag vor sich hin malen und brauchen ebensowenig eine Störung zu befürchten, wie wenn Sie da draußen auf dem Feuerschiff wären. Außer mir und meiner Tochter hält sich niemand im Haus auf, und sie ist eine vollkommene Dame, Sir. Sie gibt Musikunterricht an einer höheren Mädchenschule. Sehen Sie, wir könnten das Geld gut brauchen, wie man so sagt. Wir haben bisher noch nie einen Pensionsgast aufgenommen, weil uns noch nie einer über den Weg gelaufen ist, aber ich denke, wir werden die Gepflogenheiten schon lernen. Ich nehme
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