Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
James, Henry

James, Henry

Titel: James, Henry
Autoren: Benvolio
Vom Netzwerk:
hinwegstrich, verleiteten mich dazu, ein Boot zu mieten und meine Erkundungen wiederaufzunehmen. Ich wurde eines alten Kahns mit einem kurzen Stummel von Mast habhaft, der, da er sich genau in der Mitte befand, das Boot wie einen auf dem Kopf liegenden Pilz aussehen ließ. Ich nahm Kurs auf das, was ich für eine Insel hielt und was auch tatsächlich eine Insel ist, die, langgestreckt und flach, drei oder vier Meilen vor der Stadt liegt. Ich segelte eine halbe Stunde lang direkt vor dem Wind und lief schließlich auf den abfallenden Strand einer kleinen Bucht auf. So eine hübsche kleine Bucht! So heiter, so still, so warm, so weitab der Stadt, die, weiß und halbkreisförmig,
in der Ferne lag! Ich sprang an Land und warf den Anker aus. Vor mir erhob sich eine steile, von einem verfallenen Fort oder Turm gekrönte Klippe. Ich machte mich auf den Weg hinauf und näherte mich ihm von der Landseite. Das Fort ist ein hohles altes Gerippe. Wenn man vom Strand hinaufschaut, sieht man den heiteren blauen Himmel durch die ins Leere führenden Schießscharten. Das Innere ist mit Felsbrocken, Dornengestrüpp und Unmengen herabgestürzten Mauerwerks angefüllt. Ich kletterte auf allen vieren zur Brustwehr hinauf und wurde mit einem herrlichen Blick auf das Meer belohnt. Jenseits der weiten Bucht sah ich Stadt und Land wie in Miniatur gemalt vor mir ausgebreitet und auf der anderen Seite den unendlichen Atlantik – über den, nebenbei bemerkt, all die schönen Sachen aus Paris kommen. Ich verbrachte den ganzen Nachmittag damit, kreuz und quer über die Hügel zu wandern, die die kleine Bucht umschlossen, in der ich an Land gegangen war. Ohne auf die Zeit und meine Schritte zu achten, beobachtete ich die über den Himmel segelnden Wolken und die wolkengleichen Segel am Horizont, lauschte dem melodischen Aneinanderreiben der von den Wellen in ständiger Bewegung gehaltenen Kieselsteine,
tötete harmlose Blutsauger. Die einzige Empfindung, deren ich mich deutlich entsinne, ist, dass ich mich wieder wie ein zehnjähriger Junge fühlte und vage Erinnerungen an Samstagnachmittage in mir aufstiegen, an die Freiheit, durch das Wasser zu waten oder gar hineinzugehen, um zu schwimmen, und an die Aussicht, in der Dämmerung mit einer wunderbaren Geschichte, wie ich beinahe eine Schildkröte gefangen hätte, nach Hause zu humpeln. Als ich an den Strand zurückkam, stellte ich fest – aber ich weiß sehr gut, was ich feststellte, und ich brauche es wohl kaum zu meiner Demütigung hier zu wiederholen. Der Himmel weiß, dass ich nie ein praktisch veranlagter Mensch gewesen bin. Was dachte ich an die Gezeiten? Da lag mein alter Kahn hoch und trocken, und der rostige Anker ragte aus den flachen grünen Steinen und seichten Pfützen hervor, die die ablaufende Flut zurückgelassen hatte. Das Boot auch nur einen Zoll, geschweige denn weit mehr als ein Dutzend Yard zu bewegen überstieg meine Kräfte. Langsam kletterte ich die Klippe wieder hinauf, um zu sehen, ob von dort oben irgendwo Hilfe auszumachen war. Weit und breit war keine in Sicht, und ich war schon im Begriff, mich völlig niedergeschlagen auf den Rückweg zu machen,
als ich ein schmuckes kleines Segelboot hinter einer benachbarten Klippe hervorschießen und die Küste entlangkommen sah. Ich beschleunigte meine Schritte. Als ich unten ankam, entdeckte ich den Neuankömmling etwa hundert Yard vom Strand entfernt. Der Mann an der Ruderpinne schien mich mit einigem Interesse zu betrachten. Im Stillen betend, dass er so etwas wie Mitleid empfinden möge, forderte ich ihn durch Rufe und Gesten auf, zu einer kleinen felsigen Landspitze zu kommen, die sich ein Stückchen weiter oben befand und zu der ich mich begab, um ihn dort zu treffen. Ich erzählte ihm meine Geschichte, und er nahm mich bereitwillig an Bord. Er war ein höflicher alter Gentleman aus der Seefahrerzunft, der offenbar zu seinem Vergnügen in der Abendbrise kreuzte. Sowie wir angelegt hatten, suchte ich den Eigentümer meines alten Kahns auf, berichtete ihm von meinem Missgeschick und erbot mich, für den Schaden aufzukommen, sollte sich am Morgen herausstellen, dass das Boot welchen genommen hatte. Bis dahin ist es dort wohl sicher, wie heimtückisch der nächste Gezeitenwechsel auch sein mag. – Doch zurück zu meinem alten Gentleman. Ich habe da fraglos eine Bekanntschaft gemacht, wenn nicht sogar einen Freund gewonnen.
Ich schenkte ihm eine sehr gute Zigarre, und noch bevor wir den Hafen erreichten, waren wir schon
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher