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James, Henry

James, Henry

Titel: James, Henry
Autoren: Benvolio
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anderem vom Wesen der Frauen (was auch nicht folgenlos für manches Frauenbild in diesem Erzählungsband blieb). Weitgereist war Henry Jr.
früh, musste seinem Vater, seiner Familie folgend durch die Alte und Neue Welt irren (so etwas wie Heimat fand Henry James endgültig erst jenseits der Schwelle zum fünften Lebensjahrzehnt in Lamb House in East Sussex), von Wohnung zu Wohnung, Stadt zu Stadt, Land zu Land, Kontinent zu Kontinent, Schule zu Schule. Eine unstetere Ausbildung als die seine lässt sich kaum denken. Eine freiere allerdings auch nicht. Einziges Kontinuum – neben dem ständigen Wechsel – seiner Jugend war geradezu manisches Lesen. Und die stete Auseinandersetzung mit europäischer Kultur im Allgemeinen und aktueller französischer Malerei im Besonderen. Maler hätte er auch werden wollen, Henry zeichnet viel, ahmt nach, saugt in Ausstellungen, in Museen an Bildern auf, was er aufsaugen kann. Dass er«das Auge eines Malers»habe, sagt sein Mentor, der Schriftsteller und Maler John La Farge. Und gibt ihm Prosper Mérimée zu lesen.
    Der Schriftsteller Henry James wird schließlich an einem inzwischen für junge Magier längst typischen Ort geboren: in einem Schrank unter der Treppe. Harry Potter hatte da im Haus seines Onkels Dursley bis zu seinem elften Geburtstag hausen müssen. Henry James flüchtet sich
von dort aus endgültig in die (vor allem frankophone) Literatur der Alten Welt. Im Schrank unter der Treppe findet er die Revue des Deux Mondes seines Vaters, liest Texte, Erzählungen, Essays von Sainte-Beuve, Balzac, Maupassant, de Musset, Renan.
    Und er lernt schreiben, wie er vorher malen hatte lernen wollen. Er ist sein eigenes Literaturinstitut. Henry ahmt nach, er übersetzt, er orientiert sich, grenzt sich ab. Und liest weiter. Während seine Generation und ein Teil seiner Brüder und seiner extrem weitverzweigten Verwandtschaft in den amerikanischen Bürgerkrieg ziehen, schreibt sich Henry in der Harvard Law School ein. Nicht für lange, kaum für ein Jahr. Henry – das bewahrt ihn vor dem Bürgerkrieg – hat ein (von einigen Biographen in Zweifel gezogenes) Rückenleiden. Er muss liegen. Und er liest. Unersättlich. Und endlich fängt er an zu schreiben.
    Im Januar 1863, zwei Monate vor der Schlacht von Gettysburg, erscheint sein erster Text, die deutlich an französischen Vorbildern orientierte Kritik des Theaterabends einer gewissen Maggie Mitchell, in einem der nicht eben wenigen bürgerlichen Bostoner Journale. Im Februar 1864, die Kriegsmüdigkeit auf beiden Seiten wächst so
schnell wie die Zahl der Toten, wird – anonym – vom New Yorker Continental Monthly seine erste Geschichte A Tragedy of Errors veröffentlicht. Nicht ein Schatten des Krieges trübt ihr Licht – sie handelt von Ehebruch und Mord und spielt in Frankreich, weit weg von den Schlachtfeldern von Gettysburg oder Chattanooga. Einem Teil seiner Verwandtschaft wird die Lektüre der Erzählung verboten.
    Henry schreibt weiter, von seinem Vater, der später für kurze Zeit eine Art Agent seines Sohnes wird, halb belustigt beäugt. Seine Texte erscheinen im Atlantic Monthly , Bostons führendem Journal und Durchgangstor für die junge amerikanische Literatur, in der Nation und der North American Review . Für einen Essay über Walter Scott erhält er sein erstes Geld – zwölf Dollar. Nicht lange, und er wird der Einzige seiner Familie sein, der von dem leben kann, was er zu Papier bringt.
    Wenn er allerdings überleben will, das weiß er schnell, selbständig und unabhängig als Homme de lettre , wenn er Schriftsteller sein, Publikum, Leser gewinnen will, das lernt er schnell, muss er sich professionalisieren. Literatur auch als Beruf, als Geschäft begreifen. Muss er tun, was Dickens und Dumas getan haben, genau aufs
(schon damals vornehmlich weibliche) Publikum hin schreiben. Zielgruppenorientiert arbeiten, heißt das heute, ohne sich, seine moralischen, literarischen Ansprüche aufzugeben. So integriert Henry James für die hauptsächlichen Abnehmer seiner Texte das Beste zweier Welten, der populären und der intellektuellen Literatur, Suspense und Grusel und Klatsch und Gesellschafts- und Gefühlsbeschreibung und fotografische Präzision in der Beobachtung und der Analyse der Antriebe und Waghalsigkeit in der Konstruktion. Das macht die Geschichten in ihrer manchmal perfekten, nicht selten bei aller Gefühlsdichte regelrecht unterkühlten moralischen Mechanik zwar für seine Leser nicht ganz einfach zu
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