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James, Henry

James, Henry

Titel: James, Henry
Autoren: Benvolio
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also nicht zurückbezahlt!», rief ich.
    « Bitte – bitte», begann sie.
    Doch dann hielt sie inne; sie blickte zur Tür. In der Diele war ein Rascheln zu hören gewesen und das Geräusch von Schritten.
    Ich blickte ebenfalls zur Tür, die offen stand und jetzt einer weiteren Person Zutritt gewährte – einer Dame, die, gefolgt von einem jungen Mann, direkt auf der Schwelle stehen blieb. Die Dame starrte mich recht unverwandt an – so lange, dass ich, der ich ihren Blick erwiderte, einen lebhaften Eindruck von ihr gewinnen konnte. Dann wandte sie sich Caroline Spencer zu und
sagte mit einem Lächeln und einem starken ausländischen Akzent:«Entschuldige, dass isch störe. Isch wusste nicht, dass du Besuch ’ast… Der Gentleman kam so leise ’erein.»
    Bei diesen Worten richtete sie den Blick wieder auf mich.
    Sie war sehr sonderbar; doch ich hatte sofort das Gefühl, ihr schon einmal begegnet zu sein. Dann wurde mir klar, dass ich allenfalls Frauen begegnet war, die ihr sehr ähnlich waren. Aber ich war ihnen sehr weit weg von Grimwinter begegnet, und es war ein seltsames Gefühl, einer Frau wie ihr nun hier zu begegnen. Wohin versetzte mich ihr Anblick? Auf einen nur schwach beleuchteten Treppenabsatz vor einem schäbigen Pariser quatrième 10 – vor eine offene Tür, die den Blick in ein schmutziges, unordentliches Vorzimmer freigibt, und zu einer Madame, die sich über das Treppengeländer beugt, dabei einen ausgeblichenen Morgenmantel vorn zusammenhält und zur Pförtnerin hinunterruft, sie solle ihr ihren Kaffee heraufbringen. Miss Spencers Besucherin war eine sehr korpulente Frau mittleren Alters mit einem feisten, totenbleichen Gesicht, das Haar à la chinoise 11 zurückgekämmt. Sie hatte kleine Augen, einen durchdringenden Blick und das, was man im Französischen ein
liebenswürdiges Lächeln nennt. Sie trug einen alten rosafarbenen Kaschmirmorgenmantel mit weißen Stickereien und hielt ihn, wie die Gestalt, die ich gerade vor meinem geistigen Auge sah, mit einem entblößten rundlichen Arm und einer fleischigen, von tiefen Grübchen durchfurchten Hand vor der Brust zusammen.
    « Isch wollte nur se’en, wo meine café bleibt», sagte sie mit ihrem liebenswürdigen Lächeln zu Miss Spencer.«Isch ’ätte ihn gern im Garten unter die kleine Baum serviert.»
    Der junge Mann hinter ihr hatte inzwischen den Raum betreten und musterte mich ebenfalls. Es war ein Bürschchen mit einem hübschen Gesicht und provinziell geckenhaftem Gehabe – ein etwas klein geratener Adonis aus Grimwinter. Er hatte eine kleine spitze Nase, ein kleines spitzes Kinn und, wie mir auffiel, ausgesprochen winzige Füße. Er musterte mich mit offenem Mund und machte dabei ein dümmliches Gesicht.
    « Du sollst deinen Kaffee sofort bekommen», sagte Miss Spencer, auf jeder Wange einen hellroten Fleck.
    « Das ist gutt!», sagte die Dame im Morgenrock.« Suchen Sie Ihre Buch», fügte sie an den jungen Mann gewandt hinzu.

    Er sah sich flüchtig im Zimmer um.«Meine Grammatik, mein’ Se? », fragte er in ratlosem Ton.
    Aber die korpulente Dame hielt ihren Blick neugierig auf mich gerichtet und raffte ihren Morgenrock mit ihrem weißen Arm enger zusammen.
    « Suchen Sie Ihre Buch, mein Freund», wiederholte sie.
    « Meinen Gedichtband, mein’ Se?», sagte der junge Mann, der mich nun ebenfalls wieder anstarrte.
    « Schon gut, lassen wir die Buch», sagte seine Gefährtin.«Wir werden uns ’eute unter’alten. Wir werden ein wenisch Konversation machen. Aber wir dürfen nicht länger stören. Kommen Sie.»Sie wandte sich zum Gehen.«Unter die kleine Baum», fügte sie an Miss Spencer gerichtet hinzu.
    Dann bedachte Sie mich mit irgendeiner Grußfloskel und einem«Monsieur», ehe sie, gefolgt von dem jungen Mann, aus dem Zimmer rauschte.
    Den Blick auf den Boden geheftet, stand Caroline Spencer da.
    « Wer ist das?», fragte ich.
    « Die Gräfin, meine Kusine.»
    « Und wer ist der junge Mann?»

    « Ihr Schüler, Mr Mixter.»
    Diese Beschreibung der Beziehung zwischen den beiden Personen, die den Raum gerade verlassen hatten, ließ mich kurz auflachen.
    Miss Spencer sah mich ernst an.«Sie gibt Französischstunden; sie hat ihr Vermögen verloren. »
    « Ich verstehe», sagte ich.«Sie will niemandem zur Last fallen. Das ist sehr anständig.»
    Miss Spencer blickte wieder zu Boden.«Ich muss den Kaffee holen gehen», sagte sie.
    « Hat die Dame viele Schüler?», fragte ich.
    « Mr Mixter ist der einzige. Sie widmet ihm ihre ganze
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