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James, Henry

James, Henry

Titel: James, Henry
Autoren: Benvolio
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Zeit.»
    Darüber konnte ich nicht lachen, obwohl ich den Drang dazu verspürte. Miss Spencer war zu ernst.«Er bezahlt sehr gut», fügte sie sogleich naiv hinzu.«Er ist sehr reich. Er ist sehr nett. Er unternimmt mit der Gräfin Spazierfahrten.»Sie wandte sich zum Gehen.
    « Sie gehen den Kaffee für die Gräfin holen?», sagte ich.
    « Wenn Sie mich kurz entschuldigen wollen.»
    « Kann das niemand anders tun?»
    Sie sah mich mit heiterster Gelassenheit an.« Ich beschäftige keine Dienstboten.»
    « Kann sie ihn sich nicht selbst holen?»

    « Das ist sie nicht gewohnt.»
    « Ich verstehe», sagte ich so ruhig wie möglich.« Aber ehe Sie gehen, sagen Sie mir bitte: Wer ist diese Dame?»
    « Ich habe Ihnen schon von ihr erzählt – an jenem Tag. Sie ist die Frau meines Vetters, den Sie kennengelernt haben.»
    « Die Dame, die von ihrer Familie wegen ihrer Heirat verstoßen wurde?»
    « Ja; sie haben sie nie mehr sehen wollen. Sie haben sich von ihr losgesagt.»
    « Und wo ist ihr Mann?»
    « Er ist tot.»
    « Und wo ist Ihr Geld?»
    Die Arme zuckte zusammen, meine Fragen hatten etwas allzu Inquisitorisches.«Ich weiß es nicht», sagte sie gequält.
    Doch ich fragte weiter.«Nach dem Tod ihres Mannes kam diese Dame hierher?»
    « Ja, eines Tages war sie da.»
    « Wie lange ist das her?»
    « Zwei Jahre.»
    « Seitdem war sie die ganze Zeit hier?»
    « Jede Sekunde.»
    « Wie gefällt es ihr?»
    « Gar nicht.»
    « Und wie gefällt es Ihnen ?»

    Miss Spencer verbarg ihr Gesicht einen Augenblick in den Händen, wie sie es schon zehn Minuten zuvor getan hatte. Dann ging sie schnell hinaus, um der Gräfin den Kaffee zu bringen.
    Ich blieb allein in dem kleinen Wohnzimmer zurück; ich wollte noch mehr sehen – noch mehr erfahren. Nach fünf Minuten kam der junge Mann herein, den Miss Spencer als Schüler der Gräfin bezeichnet hatte. Er starrte mich einen Augenblick lang mit offenem Mund an. Ich merkte, dass er ein sehr ungehobelter junger Mann war.
    « Sie will wissen, ob Sie nicht hinauskommen», sagte er schließlich.
    « Wer will das wissen?»
    « Die Gräfin. Diese französische Dame.»
    « Sie hat Sie gebeten, mich zu holen?»
    « Ja, Sir», antwortete der junge Mann mit kraftloser Stimme, während er meine sechs Fuß große Gestalt musterte.
    Ich ging mit ihm hinaus, und wir fanden die Gräfin auf einem Stuhl unter einem der kleinen Quittenbäume vor dem Haus. Sie zog eine Nadel durch die Stickerei, die sie von dem Tischchen genommen hatte. Sie wies anmutig auf den Stuhl neben sich, und ich nahm Platz. Mr Mixter schaute sich um und setzte sich dann zu
ihren Füßen ins Gras. Von unten herauf blickte er mit geöffnetem Mund erst zur Gräfin, dann zu mir.
    « Sie spreschen doch sischer Französisch», sagte die Gräfin, ihre leuchtenden kleinen Augen auf mich gerichtet.
    « Ja, Madame, etwas», erwiderte ich in der Muttersprache der Dame.
    « Voilá! », rief sie mit Nachdruck.«Ich wusste es, sowie ich Sie sah. Sie waren in meinem geliebten armen Land.»
    « Lange Zeit.»
    « Sie kennen Paris?»
    « Sehr gut, Madam.»Und bewusst sorgte ich aus einem ganz bestimmten Grund dafür, dass unsere Blicke sich trafen.
    Daraufhin wandte sie den ihren unverzüglich ab und sah zu Mr Mixter hinunter.«Worüber spreschen wir?», fragte sie ihren aufmerksamen Schüler.
    Der zog die Knie hoch, zupfte an ein paar Grashalmen herum, machte große Augen und errötete ein wenig.«Sie sprechen französisch», sagte Mr Mixter.
    « La belle découverte! », 12 sagte die Gräfin.«Seit zehn Monaten unterrichte ich ihn nun», erklärte sie mir weiter.«Bemühen Sie sich erst gar nicht,
sich die Bemerkung zu verkneifen, er sei ein Dummkopf; er versteht Sie ohnehin nicht.»
    « Ich hoffe, Ihre anderen Schüler geben Ihnen mehr Anlass zur Zufriedenheit.»
    « Ich habe keine anderen. Die wissen hier ja nicht einmal, was Französisch ist; sie wollen es auch gar nicht wissen. Vielleicht können Sie sich vorstellen, welches Vergnügen es deshalb für mich ist, jemandem zu begegnen, der es spricht wie Sie.»Ich erwiderte, das Vergnügen sei ganz meinerseits, und sie fuhr, den kleinen Finger abgespreizt, fort, ihre Stiche in ihre Stickarbeit zu setzen. Dabei ging sie, wie Kurzsichtige es zu tun pflegen, immer wieder mit den Augen ganz nahe an die Arbeit heran. Ich fand sie äußerst unsympathisch; sie war ungebildet, affektiert, unehrlich und ebenso wenig eine Gräfin wie ich ein Kalif.«Erzählen Sie mir von Paris», fuhr sie fort.«
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