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James, Henry

James, Henry

Titel: James, Henry
Autoren: Benvolio
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große Hochachtung vor ihr zu zeigen. Doch ich erhob mich; ich konnte nicht länger bleiben. Es bedrückte mich, Caroline Spencer wie eine Dienstmagd dastehen zu sehen.
    « Sie rechnen damit, noch einige Zeit in Grimwinter zu bleiben?», fragte ich die Gräfin.
    Sie zuckte theatralisch mit den Schultern.
    « Wer weiß? Vielleicht noch Jahre. Wenn man in Not ist…! Chère belle », 16 fügte sie, an Miss Spencer gewandt, hinzu,«du ’ast der Cognac vergessen!»
    Ich hielt Caroline Spencer auf, als sie sich, nachdem sie schweigend einen Augenblick auf das Tischchen gestarrt hatte, umdrehte, um die
fehlende Köstlichkeit zu holen. Schweigend reichte ich ihr zum Abschied die Hand. Miss Spencer sah sehr müde aus, doch ihr so sanftes kleines Gesicht hatte einen seltsamen Ausdruck, der auch künftig Geduld verhieß. Mir schien, sie war froh, dass ich ging. Mr Mixter war aufgestanden und schenkte der Gräfin Kaffee ein. Als ich auf dem Rückweg an der Baptistenkirche vorbeiging, dachte ich darüber nach, dass die arme Miss Spencer recht gehabt hatte mit ihrer Ahnung, sie werde doch noch etwas von jenem teuren alten Europa zu sehen bekommen.

ANMERKUNGEN

NACHWORT
    Es war einmal (als handelte es sich um ein Märchen) ein sehr interessanter junger Mann. Ein tatsächlich in mancherlei Hinsicht sehr ansprechender Bursche.«Engel»hatten sie ihn in der Familie genannt, wegen seiner Locken. Ein schlanker junger Mann mit nachdenklichen, bemerkenswert schönen Augen, der gerade erst vor zwei Jahren die Grenze zum dritten Jahrzehnt unserer irdischen Lebensspanne überschritten hatte. Die Ähnlichkeiten mit jenem wetterwendischen jungen Dichter namens Benvolio, von dem er in seiner 1875 im Magazin Galaxy erschienenen Geschichte einen bemerkenswert gestelzten Erzähler im oben zitierten Ton berichten lässt, sind durchaus nicht zufällig. Unser junger Mann, den wir aus Gründen der Bequemlichkeit Henry James nennen wollen, war ebenfalls nicht unvermögend, wenn auch nicht reich, und intensiv kann man die Beschäftigung, der er nachging, schon nennen, regelmäßig, wie es ein ordentlicher Brotberuf gewesen wäre, aber war sie bis dahin sicher nicht.

    Wie Benvolio, das Zerrbild seiner in mehrfacher Hinsicht allegorischen Erzählung, hatte er lange am Scheideweg gestanden, hatte sich nicht entscheiden können. Zerissen war er nicht zwischen zwei Frauen wie der atemberaubenden kastanienbraunen Gräfin und der nicht weniger faszinierenden blässlich stillen Nachbarin, die der Erzähler symbolisch Scholastica nennt, wie der junge Dichter seiner Geschichte, sondern zwischen zwei Kulturen, zwischen Europa und Amerika. Warum sich James schließlich für den alten Kontinent entschied, zeigt – das macht Benvolio endgültig zur Schlüsselerzählung – das Ende seiner Geschichte. Benvolio nämlich holt schließlich – die Gräfin hatte ihre Nebenbuhlerin ans andere Ende der Welt intrigiert und Benvolio anschließend wiederum sich der Gräfin entledigt – Scholastica, das arbeitsame neuenglische Philosophentöchterchen, heim vom Rand der Datumsgrenze. An ihrer Seite fängt Benvolio zwar wieder an zu schreiben, aber schrecklich schwerfällig, sagen die Leute, sei seine Dichtung geworden. Eine Angst, die auch den zweiunddreißigjährigen Theologensohn längst beschlichen hatte, weswegen er beschloss, im Exil, in Europa, zu bleiben. Benvolio ist (auch) ein Abschiedsbrief an Neuengland.

    Als manischer Beobachter irrte er, so Giuseppe Tomasi di Lampedusa, fortan«wie ein Gott auf Urlaub durch die Salons Europas», ein Sammler von Geschichten, gruseligen und kitschigen, von Gesten, Blicken, Bildern, auf der Suche nach moralischer Wahrheit, nach der Wahrheit zwischen den Geschlechtern und den beiden Kontinenten, ein Korrespondent zweier Welten, ein Außenseiter, der er eigentlich immer schon gewesen war.
    Henry war ein etwas anderer Junge. Einer, der früh die Freiheit in sich selbst und in der Literatur suchte. Suchen musste. Ein Stotterer, der lernte, seine Sätze, um sie unfallfrei artikulieren zu können, im Kopf vorzuformulieren, was nicht ganz folgenlos für den Ton seiner Literatur blieb. Ein Junge, der sich vor den Vorträgen seines lauthals philosophierenden Vaters in sich selbst verkroch – Henry James senior war befreundet mit beinahe allem, was unter neuenglischen Intellektuellen Rang und Namen hatte, ein Swedenborgianer, ein spiritueller Sinnsucher mit deutlich sozialistischem Einschlag und mit sehr seltsamen Vorstellungen unter
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