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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit
Autoren: William Makepeace Thackeray
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war es gleichgültig, wohin sie ging. Georgy machte Freudensprünge bei dem Gedanken an eine Veränderung. Für Becky verstand es sich von selbst, daß sie den vierten Platz in der schönen Reisekutsche einnahm, die Mr. Joseph gekauft hatte, während die beiden Diener vorn auf dem Bock saßen. Vielleicht hegte sie einige Befürchtungen, daß sie dort Freunde treffen würde, die möglicherweise häßliche Geschichten erzählen könnten – doch pah! sie war stark genug, sich zu behaupten. Sie war jetzt so fest bei Joseph verankert, daß schon ein schwerer Sturm kommen mußte, um sie zu erschüttern. Der Vorfall mit dem Bild hatte ihm den Rest gegeben. Becky nahm ihren Elefanten von der Wand und legte ihn in die kleine Kiste, die sie vor langen Jahren von Amelia bekommen hatte. Auch Emmy nahm ihre Hausgötter – die beiden Gemälde – mit, und schließlich quartierte sich die Gesellschaft in einem außerordentlich teuren und unbequemen Haus in Ostende ein.
    Hier nun begann Amelia Bäder zu nehmen und das Beste daraus zu machen. Obwohl Dutzende Bekannte an Rebekka vorübergingen und sie schnitten, erfuhr Mrs. Osborne, die mit ihr ging, aber keinen Menschen kannte, nichts davon, wie die Freundin, die sie sich so verständig zur Gefährtin erwählt hatte, behandelt wurde. Becky hielt es auch für angemessen, ihr nicht mitzuteilen, was unter ihren unschuldigen Augen vorging.

    Einige Bekannte schlossen sich Mrs. Rawdon Crawley jedoch bereitwillig an – bereitwilliger vielleicht, als es ihr wünschenswert erschien. Zu diesen gehörte Major Loder (ohne Anstellung) und Hauptmann Rook (früher bei den Schützen), die täglich auf dem Seedamm zu sehen waren, wo sie rauchten und den Frauen nachstarrten. Sie fanden schnell Zutritt zu der gastfreien Tafel und dem auserlesenen Kreis von Mr. Joseph Sedley und ließen sich in keiner Weise abschütteln. Sie brachen ins Haus ein, ganz gleich, ob Becky daheim war oder nicht, gingen in Mrs. Osbornes Salon, den sie mit dem Duft ihrer Röcke und Schnurrbärte parfümierten, nannten Joseph »alter Bursche«, stürzten sich auf seine Mittagstafel und lachten und tranken dort stundenlang.
    »Was meinen sie nur«, fragte Georgy, der diese Herren nicht leiden mochte. »Ich hörte gestern, wie der Major zu Mrs. Crawley sagte: Nein, nein, Becky, den alten Burschen sollen Sie nicht für sich allein bekommen. Wir wollen da auch ein bißchen mitmischen, oder, verdammt noch mal, ich beichte. Was meinte der Major bloß damit, Mama?«
    »Major! Nenn den bitte nicht Major!« sagte Emmy. »Ich weiß wirklich nicht, was er meinte.« Seine und seines Freundes Gegenwart flößten der kleinen Frau Abneigung und unerträgliches Entsetzen ein. Sie machten ihr trunkene Komplimente und beäugelten sie bei Tisch lüstern. Der Hauptmann machte ihr Anträge, die sie mit gräßlichem Schrecken erfüllten, und sie ging ihm aus dem Wege, wenn sie nicht gerade George bei sich hatte.
    Auch Rebekka wollte nicht, um ihr Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, daß einer von diesen Männern allein bei Amelia blieb. Der Major hatte ebenfalls Absichten und schwor, er werde sie gewinnen. Zwei Wüstlinge kämpften um dieses unschuldige Geschöpf und spielten an ihrem eigenen Tisch um sie. Wenn sie auch nicht wußte, was für Absichten die Schurken auf sie hatten, so fühlte sie doch in ihrer Gegenwart Unruhe und Schrecken und wäre gern geflüchtet.
    Sie bat, sie flehte Joseph an, nach Hause zurückzukehren. Er wollte aber nicht. Er war langsam in Gang zu bringen und an seinen Arzt gekettet, und dann war er wohl auch an einem anderen Gängelband. Becky wenigstens war nicht darauf erpicht, nach England zu gehen.
    Endlich faßte Amelia einen großen Entschluß und tat den entscheidenden Schritt. Sie schrieb einem Freund auf der anderen Seite des Wassers einen Brief. Keinem Menschen sagte sie ein Sterbenswörtchen davon und trug ihn selbst unter ihrem Schal zur Post. Niemand bemerkte etwas davon, nur sah sie sehr rot und aufgeregt aus, als Georgy sie sah, und küßte ihn an jenem Abend viele Male. Nach der Rückkehr von ihrem Spaziergang kam sie nicht wieder aus ihrem Zimmer hervor, und Becky glaubte, sie fürchte sich vor Major Loder und dem Hauptmann.
    Hier darf sie nicht bleiben, sagte sich Becky; sie muß fort, das dumme Närrchen, sie weint immer noch um ihren Einfaltspinsel von Mann, der nun schon fünfzehn Jahre tot ist. Geschah ihm ganz recht. Sie soll keinen von diesen Männern heiraten. Es ist gemein von Loder; nein,
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