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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit
Autoren: William Makepeace Thackeray
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als Sie, meine jungen Damen, kaum geboren waren, bewies, daß diejenigen, die vor Ihnen lebten, ebenfalls lieben und singen konnten, ganz bestimmte Lieder also, die der Major besonders gern gehabt. Wenn sie sie in der Dämmerung im Gesellschaftszimmer trillerte, brach sie häufig in der Mitte ab, begab sich in ihr angrenzendes Zimmer und nahm dort zweifellos Zuflucht zu dem Miniaturbild ihres Mannes.
    Dobbin hatte bei seiner Abreise einige Bücher mit seinem Namen darin zurückgelassen, zum Beispiel ein deutsches Wörterbuch mit »William Dobbin ...tes Reg.« auf dem Vorsatzblatt, ein Reiseführer mit seinen Initialen und ein paar andere Bände, die dem Major gehörten. Emmy räumte sie weg und legte sie auf die Kommode, wo sie ihr Arbeitskästchen, ihr Schreibpult, ihre Bibel und ihr Gebetbuch hatte, unter die Bilder der beiden Georges. Der Major hatte beim Fortgehen auch seine Handschuhe dagelassen, und es ist tatsächlich geschehen, daß Georgy einige Zeit später beim Kramen im Pult seiner Mutter die Handschuhe, nett zusammengefaltet, im sogenannten Geheimfach fand.
    Da sie an Gesellschaften kein Vergnügen fand und sich dort langweilte, war Emmys Hauptvergnügen, an Sommerabenden lange Spaziergänge mit Georgy zu machen. Rebekka wurde in Mr. Josephs Gesellschaft zurückgelassen, und Mutter und Sohn sprachen dann von dem Major in einer Weise, daß selbst der Knabe lächeln mußte. Sie erzählte ihm, daß sie den Major für den besten, sanftesten und gütigsten, tapfersten und bescheidensten Menschen auf der Welt hielt; sie betonte immer wieder, daß sie alles, was sie auf der Welt besaß, der wohlwollenden Sorge dieses lieben Freundes verdanke, daß er sich ihrer in Armut und Unglück angenommen habe, über sie gewacht habe, als sich niemand um sie kümmerte, daß ihn all seine Kameraden bewunderten, obgleich er nie von seinen mutigen Taten sprach, daß Georges Vater ihm von allen am meisten vertraut habe und daß der gute William sich stets seiner angenommen habe. »Dein Papa hat mir oft erzählt«, sagte sie, »daß er als kleiner Junge in der Schule, in die sie beide gingen, von William gegen einen Tyrannen verteidigt wurde, und von diesem Tage an bis zu dem letzten, an dem dein lieber Vater fiel, hat ihre Freundschaft nie aufgehört.«
    »Hat Dobbin den Mann getötet, der Papa getötet hat?« fragte Georgy. »Bestimmt hat er es, oder er hätte es getan, wenn er ihn erwischt hätte, nicht wahr, Mutter? Wenn ich erst bei den Soldaten bin, dann werde ich die Franzosen auch hassen, nicht wahr?«
    Mit solchen Unterhaltungen verbrachten Mutter und Kind einen großen Teil ihrer Zeit gemeinsam. Die schlichte Frau hatte ihren Sohn zum Vertrauten gemacht. Er war Williams Freund, wie überhaupt alle, die ihn kannten.

    Übrigens hatte Mrs. Becky, um Amelia an Sentimentalität nicht nachzustehen, ebenfalls ein Miniaturbild in ihrem Zimmer hängen, zur Überraschung und Belustigung der meisten und dem Entzücken des Originals, das kein anderer war als unser Freund Joseph. Als die kleine Frau Familie Seldey mit ihrem Besuch beehrte, schämte sie sich wahrscheinlich, daß sie weder mit großen Koffern noch Hutschachteln erschienen war, sondern nur mit einem auffallend schäbigen Holzköfferchen, und sprach achtungsvoll von ihrem in Leipzig zurückgebliebenem Gepäck, das sie sich kommen lassen müsse. Wenn dir ein Reisender ständig von seinem großartigen Gepäck erzählt, das er zufällig nur nicht bei sich hat, so hüte dich vor diesem Reisenden, mein Sohn! Er ist zehn gegen eins ein Betrüger.
    Weder Joseph noch Emmy kannten diesen wichtigen Grundsatz. Es spielte für sie keine Rolle, ob Becky eine ganze Anzahl feiner Kleider in unsichtbaren Koffern besitze; da aber ihre gegenwärtige geringe Ausstattung sehr schäbig war, versorgte Emmy sie aus ihren eigenen Vorräten oder brachte sie zur besten Modistin in der Stadt und verschaffte ihr, was sie brauchte. Von nun an, das können Sie glauben, gab es keine zerrissenen Kragen und keine verblichene Seide mehr, die ihr von den Schultern herabhing. Mit ihrer Lebensstellung änderte Becky auch ihre Gewohnheiten. Der Schminktopf wurde beiseite gestellt – und auch ein anderes Reizmittel, an das sie sich gewöhnt hatte, oder sie frönte ihm jedenfalls nur insgeheim, zum Beispiel an Sommerabenden, wenn Emmy und ihr Knabe spazierengingen und Joseph sie bewog, einen kleinen Schnaps zu sich zu nehmen. Wenn sie auch nichts trank, der Reisediener trank jedenfalls. Der bübische
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