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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit
Autoren: William Makepeace Thackeray
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zum Generalmajor zu befördern. Er sollte aber weiterhin das Kommando seines tapferen Regiments, das er so lange geführt hatte, behalten.

    Amelia hatte einige dieser Ereignisse schon gewußt. Die Korrespondenz zwischen George und seinem Vormund war keineswegs eingeschlafen, und William hatte auch seit seiner Abreise ein paarmal ihr selbst geschrieben, aber in einem so ungezwungenen kühlen Ton, daß die arme Frau nun fühlte, wie sie die Herrschaft über ihn verloren hatte, und daß er, wie er selbst gesagt hatte, frei war.
    Er hatte sie verlassen, und sie war unglücklich. Seine unzähligen Dienste und seine liebevolle Verehrung standen ihr vor Augen und machten ihr Tag und Nacht Vorwürfe. Sie brütete nach ihrer Gewohnheit über diesen Erinnerungen, erkannte die Reinheit und Schönheit seiner Liebe, mit der sie gespielt hatte, und tadelte sich, einen solchen Schatz weggeworfen zu haben.
    Diese Liebe war tatsächlich verschwunden. William hatte sie gänzlich aufgebraucht. Er glaubte sie nicht mehr so zu lieben, wie er sie geliebt hatte. Er würde sie auch nie wieder so lieben können. Eine Zuneigung dieser Art, die er ihr so viele Jahre hindurch treu entgegengebracht hatte, kann nicht weggeworfen und zerbrochen und dann wieder ausgebessert werden, ohne daß man die Spuren bemerkt. Die kleine unbekümmerte Tyrannin hatte sie auf diese Weise zerstört. William dachte immer wieder: Ich habe mich selbst betrügerischen Illusionen hingegeben. Wäre sie meiner Liebe würdig gewesen, sie hätte sie schon längst erwidert. Es war ein teurer Irrtum. Besteht aber nicht das ganze Leben aus solchen Irrtümern, und angenommen, ich hätte sie errungen – wäre ich nicht am Tage nach meinem Sieg entzaubert worden? Warum sollte ich mich meiner Niederlage schämen oder über sie bekümmert sein? Je mehr er diese lange Periode seines Lebens überdachte, desto klarer wurde ihm, daß er sich getäuscht hatte. »Ich will die Uniform wieder anziehen«, sagte er, »und meine Pflicht dort tun, wo der Himmel mich hingestellt hat. Ich werde aufpassen, daß die Köpfe der Rekruten gehörig geputzt sind und die Unteroffiziere in ihren Berichten keine Fehler machen. Ich werde in der Offiziersmesse speisen und mir die Geschichten des schottischen Regimentsarztes anhören. Wenn ich alt und gebrechlich bin, werde ich mich auf Halbsold setzen lassen und meine alten Schwestern werden mich ausschelten. ›Ich habe gelebt und geliebet‹ 1 , wie das Mädchen im ›Wallenstein‹ sagt. Ich bin fertig. – Bezahl die Rechnung und bringe mir eine Zigarre, Francis, und sieh nach, was heute im Theater gespielt wird. Morgen fahren wir mit der ›Batavier‹ rüber.«
    Diese Rede, von der Francis nur die beiden letzten Zeilen hörte, hielt er, während er die Boompjes in Rotterdam auf und ab ging. Die »Batavier« lag im Hafen. Er konnte die Stelle auf dem Achterdeck sehen, wo er und Emmy auf der glücklichen Hinfahrt gesessen hatten. Was hatte ihm die kleine Mrs. Crawley nur zu sagen? – Pah, morgen stechen wir in See und kehren nach England zurück – zur Heimat und zur Pflicht!

    Anfang Juli zerstreute sich die ganze kleine Hofgesellschaft von Pumpernickel nach deutscher Sitte in hundert verschiedene Badeorte, wo sie tranken, auf Eseln ritten, in den Kursälen spielten, wenn sie Geld und Lust hatten, mit Hunderten ihres Standes zu ihren Schlemmermahlen an die Table d'hôte eilten und den Sommer im Müßiggang verbrachten. Die englischen Diplomaten gingen nach Teplitz und Kissingen, ihre französischen Nebenbuhler schlossen ihre Kanzlei und eilten zu ihrem geliebten Boulevard de Gand. Die regierende durchlauchtige Familie fuhr ebenfalls in die Bäder oder zog sich auf ihre Jagdschlösser zurück. Jeder, der Ansprüche erhob, zur großen Welt gerechnet zu werden, verreiste, und unter ihnen natürlich auch der Hofarzt Doktor von Glauber und seine Baronin.
    Die Badesaison war stets die einträglichste Periode in des Doktors Praxis – er vereinigte das Geschäftliche mit dem Vergnügen und ging gewöhnlich nach Ostende, das sehr viel von Deutschen besucht wird, und dort behandelte der Doktor sich und sein Ehegespons mit »Seewasserspülungen«, wie er es nannte.
    Sein interessanter Patient Joseph war eine regelrechte Milchkuh für den Doktor, und es fiel ihm nicht schwer, den Zivilisten zu überreden, um seiner selbst willen und wegen der erschütterten Gesundheit seiner reizenden Schwester den Sommer in dieser häßlichen Hafenstadt zu verbringen. Emmy
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