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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit
Autoren: William Makepeace Thackeray
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sie soll den Bambusstock heiraten. Das werde ich noch heute abend in Ordnung bringen!
    Becky brachte also Amelia eine Tasse Tee in ihr Zimmer, wo sie die Dame melancholisch und nervös in Gesellschaft ihrer Miniaturbilder vorfand. Sie setzte die Teetasse vor sie hin.
    »Dankeschön«, sagte Amelia.
    »Hör mal, Amelia«, sagte Becky und ging vor Emmy im Zimmer auf und ab, dabei betrachtete sie die andere mit einer gewissen verächtlichen Freundlichkeit. »Ich muß mit dir sprechen, du mußt weg von hier, weg von der Unverschämtheit dieser Männer. Ich will nicht, daß sie dich belästigen, und wenn du hierbleibst, dann werden sie dich beleidigen. Ich sage dir, es sind Schurken, Männer, die man eigentlich ins Gefängnis stecken sollte. Kümmere dich nicht darum, woher ich sie kenne. Ich kenne alle Welt. Joseph kann dich nicht beschützen, er ist zu dick und schwach und braucht selbst einen Beschützer. Du bist ebenso untauglich für das Leben in dieser Welt wie ein Säugling. Du mußt heiraten, oder du und dein Prachtjunge werden zugrunde gehen. Du mußt einen Mann haben, du Närrchen, und einer der besten Männer, die ich je sah, hat schon hundertmal um dich geworben, und du hast ihn abgewiesen, du einfältiges, herzloses, undankbares kleines Geschöpf.«
    »Ich habe – ich habe mein möglichstes versucht, wirklich, Rebekka«, erwiderte Amelia eindringlich. »Aber ich konnte nicht vergessen, daß ...«, und sie beendete den Satz mit einem Augenaufschlag zu dem Porträt.
    »Konntest den da nicht vergessen?« rief Becky. »Diesen egoistischen Aufschneider, diesen ungebildeten, ordinären Stutzer, diesen auswattierten Tölpel, der weder Witz noch Benehmen, noch Herz besaß und der mit deinem Freund mit dem Rohrstock ebensowenig zu vergleichen ist wie du mit der Königin Elisabeth. Hach, der Mann hatte dich längst satt und hätte dich sitzenlassen, wenn Dobbin ihn nicht gezwungen hätte, sein Wort zu halten. Er hat es mir selbst gestanden. Er hat sich nie etwas aus dir gemacht. Er hat sich soundso oft bei mir über dich lustig gemacht, und schon eine Woche nachdem er dich geheiratet hatte, hat er mit mir geflirtet.«
    »Das ist Lüge, das ist Lüge, Rebekka!« rief Amelia und sprang auf.
    »Sieh dir doch das einmal an, du Närrin«, sagte Becky, noch immer aufreizend gut gelaunt, und holte ein Zettelchen aus ihrem Gürtel. Sie öffnete es und warf es Emmy in den Schoß. »Du kennst seine Handschrift. Das hat er mir geschrieben, er hat gewollt, daß ich mit ihm durchbrennen sollte. Vor deinen Augen hat er es mir gegeben, einen Tag bevor er fiel – das geschah ihm ganz recht«, wiederholte Becky.
    Emmy hörte sie nicht. Sie sah den Brief an. Es war derjenige, den George in das Bukett gesteckt und Becky in der Ballnacht beim Herzog von Richmond gegeben hatte. Es war, wie sie sagte. Der törichte junge Mann hatte sie aufgefordert, mit ihm zu fliehen.
    Emmy ließ den Kopf sinken, und zum letzten Male in dieser Geschichte soll sie mit dem Weinen beschäftigt werden. Der Kopf sank ihr auf die Brust, die Hände fuhren an die Augen, und so gab sie sich eine Zeitlang ihrer Bewegung hin, während Becky dabeistand und sie anblickte. Wer könnte sagen, ob diese Tränen süß oder bitter waren? War sie sehr betrübt, weil das Götzenbild ihres Lebens gestürzt und zerschmettert vor ihren Füßen lag, oder entrüstet, daß ihre Liebe so geringgeschätzt worden war, oder froh, weil die Schranke der Schamhaftigkeit zwischen ihr und einer neuen, einer wahren Liebe gefallen war? Nichts kann mich jetzt mehr hindern, dachte sie, nun darf ich ihn von ganzem Herzen lieben. Oh, ich will, ich will, wenn er es mir nur erlaubt und mir vergibt. Ich glaube, dieses Gefühl stürzte sich vor allen anderen in die sanfte kleine Brust.
    Sie weinte nicht so sehr wie Becky erwartete. Rebekka beruhigte und küßte sie – ein seltsames Zeichen der Sympathie bei Mrs. Rebekka. Sie behandelte Emmy wie ein Kind und streichelte ihr das Haar.
    »Und nun wollen wir Feder und Tinte nehmen und ihm schreiben, daß er sofort kommen soll«, sagte sie.
    »Ich – ich habe heute morgen schon an ihn geschrieben«, sagte Emmy und wurde sehr rot.
    Becky schrie vor Lachen. – »Un biglietto!« sang sie mit Rosina 2 , »eccolo quà!« 3 Ihr schriller Gesang schallte durch das ganze Haus.
    Zwei Tage nach dieser kleinen Szene stand Amelia zeitig auf. Obwohl es regnerisch und windig war und obwohl sie eine unruhige Nacht verbracht hatte, dem Brausen des Windes gelauscht
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