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Die Schattenplage

Die Schattenplage

Titel: Die Schattenplage
Autoren: Brandon Mull
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KAPITEL 1
Die Nipsis
    A n einem schwülen Augusttag eilte Seth einen kaum erkennbaren Pfad entlang, den Blick auf das üppige Blätterwerk zu seiner Linken gerichtet. Hohe, moosbewachsene Bäume überschatteten ein grünes Meer aus Büschen und Farnen. Er war am ganzen Körper nass – die hohe Luftfeuchtigkeit ließ seinen Schweiß einfach nicht trocknen. Seth blickte sich regelmäßig um und zuckte bei jedem Geräusch im Unterholz zusammen. Fabelheim war ein zu gefährlicher Ort, um allein dort umherzustreifen, und überdies hatte Seth schreckliche Angst davor, so weit entfernt vom Garten entdeckt zu werden.
    Im Laufe des langen Sommers war Seth immer geschickter darin geworden, sich heimlich in den Wald zu schleichen. Die Ausflüge mit Coulter machten zwar Spaß, waren aber nicht häufig genug, um seinen Abenteuerdurst zu stillen. Sich allein in das Reservat zu wagen war da doch etwas ganz anderes. Den Wald rings um das Haupthaus kannte Seth inzwischen gut, und allen Bedenken seiner Großeltern zum Trotz hatte er – zumindest sich selbst – mittlerweile hinreichend bewiesen, dass er gefahrlos auf Erkundungszug gehen konnte. Um womöglich tödliche Situationen zu vermeiden, entfernte er sich selten weit vom Hof und vermied die Gebiete, von denen er wusste, dass sie besonders gefährlich waren.
    Heute war jedoch eine Ausnahme.
    Heute war er zu einem Geheimtreffen unterwegs.
    Seth war sicher, dass er die Instruktionen richtig verstanden hatte, aber langsam beschlich ihn das Gefühl, er könnte den letzten Orientierungspunkt vielleicht übersehen haben. Er ging den Weg zum ersten Mal und hatte sich bereits ein beträchtliches Stück vom Haupthaus entfernt. Sorgfältig suchte er jeden einzelnen Strauch links des Pfades ab.
    Den ganzen Sommer über hatte in Fabelheim ein ständiges Kommen und Gehen geherrscht. Und heute Morgen beim Frühstück waren Seth, Kendra, Coulter und Dale von Opa Sørensen davon in Kenntnis gesetzt worden, dass Warren und Tanu am Abend zurückkehren würden. Seth wartete voller Aufregung auf ein Wiedersehen mit seinen Freunden, wusste aber eines mit Bestimmtheit: Je mehr Leute im Haus waren, desto mehr Augen würden auf ihm ruhen, um seine unerlaubten Ausflüge zu verhindern. Heute war wahrscheinlich für eine ganze Weile die letzte Gelegenheit, sich allein davonzustehlen.
    Als er schon fast die Hoffnung aufgegeben hatte, entdeckte Seth endlich einen Stock mit einem großen Kiefernzapfen darauf, der nicht weit abseits des Pfades im Boden steckte. Die hoch aufragende Wegmarke war in der Tat kaum zu übersehen. Er hatte sich also vollkommen umsonst gesorgt. Seth verließ den schmalen Pfad, nahm den Kompass aus seiner Notfallausrüstung und setzte von dem Stock aus seinen Weg in nordöstlicher Richtung fort.
    Das Gelände stieg leicht an, und Seth musste einen Bogen um einige blühende Dornensträucher machen. In den belaubten Baumkronen über ihm zwitscherten Vögel, und ein Schmetterling mit breiten, bunten Flügeln flatterte in der windstillen Luft umher. Wegen der Milch, die er an diesem Morgen getrunken hatte, wusste Seth, dass es tatsächlich ein Schmetterling war. Wäre es eine Fee gewesen, hätte er sie als solche erkannt.
    »Pssst«, zischte eine Stimme aus den Büschen, »hier rüber!«
    Seth fuhr herum und sah Doren, den Satyr, über einen im Sonnenlicht schimmernden Strauch mit breiten Blättern spähen. Der Satyr winkte ihn heran.
    »Hallo, Doren«, sagte Seth mit leiser Stimme und schlich zu dem am Boden kauernden Satyr hinüber. Newel, dessen Hörner ein wenig länger waren und der eine Spur mehr Sommersprossen sowie ein wenig rötlicheres Haar hatte als Doren, versteckte sich neben ihm.
    »Was ist mit dem Grobian?«, fragte Newel.
    »Er hat versprochen, sich hier mit mir zu treffen«, versicherte Seth den beiden. »Mendigo hat so lange seine Pflichten in den Ställen übernommen.«
    »Wenn er nicht auftaucht, ist der Handel geplatzt«, drohte Newel.
    »Er wird kommen«, sagte Seth.
    »Hast du die Ware dabei?«, versuchte Doren möglichst beiläufig zu fragen, war aber außerstande, die Verzweiflung in seinem Blick zu verbergen.
    »Achtundvierzig Batterien der Größe C«, antwortete Seth. Er zog den Reißverschluss einer Segeltuchtasche auf und ließ die Satyre einen Blick hinein werfen. Ein paar Wochen zuvor hatte Seth den beiden Dutzende von Batterien gegeben, als Lohn dafür, dass sie ihm und seiner Schwester geholfen hatten, sich in einer äußerst prekären Situation in das
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