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Jahrmarkt der Eitelkeit

Jahrmarkt der Eitelkeit

Titel: Jahrmarkt der Eitelkeit
Autoren: William Makepeace Thackeray
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und der jungen Dame war lange der Lieblingsplan der beiden Mütter, obgleich ich gehört habe, daß Miss Crawley mehr ihrem Cousin gewogen war.
    Keine der beiden Familien erwähnte jemals Mrs. Rawdon Crawleys Namen. Es gab Gründe genug, weshalb man lieber über sie schwieg, denn wohin auch Mr. Joseph Sedley reiste, sie ging stets mit, und der betörte Mann schien völlig ihr Sklave geworden zu sein. Dem Oberst wurde von seinem Rechtsanwalt mitgeteilt, daß sein Schwager eine sehr hohe Lebensversicherung abgeschlossen habe. Das deutete darauf hin, daß er Geld aufgenommen hatte, um Schulden zu bezahlen. Er ließ seinen Urlaub von der Ostindischen Kompanie verlängern, und tatsächlich verschlechterte sich seine Gesundheit täglich.
    Als Amelia von der Lebensversicherung erfuhr, flehte sie in großer Bestürzung ihren Mann an, nach Brüssel zu gehen, wo sich Joseph gerade aufhielt, und Nachforschungen über seine Lage anzustellen. Der Oberst verließ sein Haus nur widerwillig (er war nämlich eifrig in eine »Geschichte des Pandschab 6 « vertieft, mit der er noch heute beschäftigt ist, und außerdem war er sehr in Sorge um sein Töchterchen, das eben die Windpocken überstanden hatte und das er sehr vergötterte). Er fuhr also nach Brüssel und fand Joseph in einem der riesigen Hotels dieser Stadt. Mrs. Crawley, die einen Wagen hielt, Gesellschaften gab und sehr vornehm auftrat, bewohnte eine andere Zimmerflucht in demselben Hotel.
    Der Oberst hatte natürlich kein Bedürfnis, diese Dame zu sehen, und hielt es auch nicht für angemessen, seine Ankunft in Brüssel anzumelden. Er ließ Joseph nur ganz heimlich durch seinen Diener melden, daß er kommen werde. Joseph bat den Oberst, ihn am Abend zu besuchen, da Mrs. Crawley bei einer Gesellschaft sein würde und sie sich allein sprechen könnten. Er fand seinen Schwager wirklich in einem bemitleidenswerten Zustand vor. Joseph hatte entsetzliche Angst vor Rebekka, obwohl er ihres Lobes voll war. Sie hatte ihn während einiger unerhörter Krankheiten mit bewunderungswürdiger Ausdauer gepflegt. Sie war ihm wie eine Tochter gewesen. »Aber – aber – oh, um Gottes willen, kommt und wohnt in meiner Nähe, und – und – besucht mich ab und zu«, wimmerte der Unglückliche.
    Die Stirn des Obersten verdüsterte sich bei diesen Worten. »Wir können nicht, Joseph«, sagte er. »Wenn man die Umstände berücksichtigt, kann Amelia dich nicht besuchen.«
    »Ich schwöre dir – ich schwöre dir auf die Bibel«, keuchte Joseph und versuchte das Buch zu küssen, »daß sie so unschuldig ist wie ein Kind, so makellos wie deine eigene Frau.«
    »Das mag sein«, sagte der Oberst düster. »Aber Emmy kann nicht zu dir kommen. Sei ein Mann, Joseph, brich diese schimpfliche Verbindung ab. Komm zu deiner Familie nach Hause. Wir haben gehört, daß du in Geldverlegenheiten bist.«
    »Ich?« rief Joseph. »Wer hat dir solche Lügen erzählt? Mein ganzes Vermögen ist äußerst vorteilhaft angelegt. Mrs. Crawley ... das heißt ... ich meine ... es ist zu den besten Zinsen angelegt.«
    »So hast du also keine Schulden? Warum hast du dann eine Lebensversicherung abgeschlossen?«
    »Ich dachte – ein kleines Geschenk für sie – falls mir etwas zustößt, weißt du, meine Gesundheit ist so angegriffen – bloße Dankbarkeit, weißt du! Ich beabsichtige, euch mein ganzes Vermögen zu hinterlassen – und ich kann es von meinem Einkommen ersparen, wirklich, das kann ich!« rief Williams schwacher Schwager.
    Der Oberst bat Joseph, sofort zu fliehen – nach Indien zurückzugehen, wohin ihm Mrs. Crawley nicht folgen könnte, alles zu tun, um ein Verhältnis abzubrechen, das verhängnisvolle Folgen für ihn haben könne.
    Joseph faltete die Hände und rief, er wolle nach Indien zurückkehren, er wolle alles tun, er müsse nur Zeit haben. »Du darfst bloß Mrs. Crawley nichts sagen – sie – sie würde mich umbringen, wenn sie es wüßte. Du hast keine Ahnung, was für eine schreckliche Frau sie ist«, sagte der arme Kerl.
    »Warum willst du dann nicht mit mir gehen?« entgegnete Dobbin, aber Joseph hatte nicht den Mut dazu. Dobbin solle am nächsten Morgen noch einmal wiederkommen, er dürfe aber auf keinen Fall erzählen, daß er dagewesen sei; er müsse nun gehen. Becky könne jeden Augenblick zurückkommen. Dobbin verließ ihn mit trüben Ahnungen.
    Er sah Joe nie wieder. Joseph Sedley starb drei Monate später in Aachen. Es stellte sich heraus, daß sein ganzes Vermögen in Spekulationen
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