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Jagdopfer

Jagdopfer

Titel: Jagdopfer
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schüttelte den Kopf. Schließlich war Monatsende. Sie wusste immer, wann sie pleite waren, und es war offensichtlich wieder so weit. Joe spürte, wie er errötete. Vielleicht könnten sie bei jemandem übernachten? Aber bei wem? Zwar hatten sie inzwischen ein paar Bekannte in der Stadt, doch sie waren noch immer neu hier, und Joe hatte keine Ahnung, wen er um einen solchen Gefallen bitten könnte.
    »Und mit Kreditkarte?«
    »Die ist fast ausgereizt und reicht höchstens noch für ein, zwei Nächte.«
    Joe spürte, wie ihm eine zweite Hitzewelle über den Nacken lief.
    »Tut mir leid, Schatz«, murmelte er, setzte seinen staubigen schwarzen Hut auf und ging nach draußen, um auf den Sheriff zu warten.

3
    Nachdem die Hilfssheriffs den Holzstapel vermessen, markiert und fotografiert hatten, sperrten sie den Tatort mit einem gelbem Band ab und packten einen Leichensack aus.
    Joe postierte sich so auf der hinteren Veranda, dass niemand durchs Wohnzimmerfenster sehen konnte, wie Keeley hineingestopft wurde. Otes Arme und Beine
waren schon leichenstarr, und es dauerte ein bisschen, bis der Reißverschluss zu war und der Tote weggebracht werden konnte. Ote war schwer, und als zwei Polizisten ihn aus dem Hof und ums Haus zum Krankenwagen schleppten, hing der Sack durch und schleifte übers Gras.
    Sheriff O.R. »Bud« Barnum war als Erster gekommen und hatte Joe angeherrscht, er solle ihm zeigen, wo Ote Keeley liege. Trotz seines Alters bewegte sich Barnum noch immer schnell, wenn auch etwas steifleinern. Sein Gesicht war bleich und ledrig, die Augen blassblau und von einem Faltenmeer umgeben. Joe beobachtete, wie diese blauen Augen den Tatort und den Hof musterten.
    Er hatte Fragen erwartet, war auf sie vorbereitet und hatte Barnum gesagt, er habe Kot gesammelt und versandfertig gemacht, doch der Sheriff hatte ihn weggewunken.
    »Klare Sache, das ist Ote«, hatte Barnum festgestellt und war wieder zu seinem Geländewagen gegangen. »Sie schreiben darüber einen Bericht?« Joe hatte genickt - und das war’s gewesen. Keine Fragen, keine Bemerkungen. Joe war überrascht und fühlte sich unnütz.
    Jetzt stand er neben dem Haus und beobachtete, wie der Sheriff mit der einen Hand das Mikro seines Polizeifunkgeräts an die Lippen hielt und mit der anderen in der Luft gestikulierte - offenbar wurde Barnum über jemanden oder irgendetwas zunehmend ärgerlich. Joe ging es genauso, doch er versuchte, das nicht zu zeigen.
    Er trat ins Haus. Marybeth saß auf der Couch und sah ihn nervös an.
    »Ist sie weg?« Sie - die Leiche. Marybeth wollte nicht »Ote« sagen.
    Joe nickte.

    Wie bleich Marybeth aussah. Und ihre Miene - wie festgezurrt. Sie rieb sich mit der Hand über den dicken Bauch. Ganz unbewusst. Wie sie es auch früher getan hatte, als sie mit Sheridan und Lucy schwanger war. Das tat sie immer, wenn sie das Gefühl hatte, gleich breche das Chaos aus. Sie verschränkte ihre Arme vor dem Bauch, als wollte sie das Ungeborene vor Zumutungen von außen schützen. Sie ist eine prima Mutter, dachte Joe. Und sie ist zu den Kindern sehr fürsorglich. Sie nimmt es äußerst übel, wenn die Außenwelt ohne ihre Zustimmung oder Planung in die Familie eindringt.
    »Der Kerl hat dir doch vor einiger Zeit den Revolver abgenommen?«, kam es Marybeth allmählich in den Sinn. »Ich hab seine Frau bei der Hebamme getroffen. Die ist auch schon mindestens im sechsten Monat.« Sie verzog das Gesicht. »Sie haben ein Kind fast in Sheridans Alter. Und noch ein jüngeres, glaub ich. Die armen Dinger …«
    Joe nickte und füllte Kaffee in einen Becher, um ihn Sheriff Barnum ans Auto zu bringen.
    »Wär das wenigstens nicht hier passiert«, fuhr Marybeth fort. »So was geschieht nun mal, aber warum musste er hierherkommen? Ausgerechnet zu unserem Haus?«
    Als ob das unser Haus wäre, dachte Joe - es gehört dem Staat Wyoming, wir leben hier nur. Aber er schwieg und öffnete mit einem schnellen »Bin gleich wieder da« die Haustür.
    Barnum sagte gerade »Over« und knallte das Mikrofon ärgerlich in den Halter am Armaturenbrett. Joe hielt ihm den Becher hin, und Barnum griff wortlos danach.
    »Bis jetzt wissen wir, dass Keeley am Donnerstag mit
zwei anderen Ausrüstern in die Berge gegangen ist, um Wapitis aufzuspüren.« Barnum schaute Joe dabei nur halb an. »Irgendwo da oben haben sie ein Jagdlager. Sie wurden nicht vor Morgen zurückerwartet. Deshalb hat sie noch niemand vermisst.«
    »Wer sind die anderen?«
    »Kyle Lensegrav und Calvin
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