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Sieh dich um: Thriller (German Edition)

Sieh dich um: Thriller (German Edition)

Titel: Sieh dich um: Thriller (German Edition)
Autoren: Jon Osborne
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»Es gibt nur dich und deinen Gegner am Brett, und du versuchst, etwas zu beweisen.«
    Bobby Fischer, in den Vereinigten Staaten geborener Schachgroßmeister, der den sowjetischen Weltmeister Boris Spasski 1972 im Verlauf einer weltweit beachteten, dramatischen, höchst umstrittenen und zur damaligen Zeit als Schlacht des Kalten Krieges geltenden Begegnung in Reykjavik, Island, besiegte und von ihm den prestigeträchtigen Titel eroberte
    1
    Manhattan, New York – Freitag,
23:15 Uhr
    Der Mann am Telefon hatte zu ihr gesagt, es wäre eine Art Schnitzeljagd. Und er würde sie die ganze Zeit über beobachten.
    »Ein Fehler, und du siehst deine Kinder nie wieder«, hatte er ihr gedroht.
    Stephanie Mann schlang ihren fadenscheinigen Mantel noch enger um den zierlichen Leib, während sie zitternd und fröstelnd am Eingang eines Mini-Markts an der West 85th Street stand. Ein Teil der Eiseskälte, die wie mit Gift bestrichene Rasierklingen durch ihr Nervensystem schnitt, rührte von Angst und Adrenalin her, das ihren Kreislauf überflutete. Der andere Teil rührte daher, dass sie mehr oder weniger ungeschützt in einer Aprilnacht in New York City draußen auf dem Bürgersteig stand.
    Ein leichter Nieselregen, der die verbliebene Wärme aus jedermann saugen zu wollen schien, kleisterte ein paar Strähnen von Stephanies langen dunkelbraunen Haaren auf ihre Stirn. Sie schob sie nach hinten, doch kaum zehn Sekunden später hingen sie ihr wieder ins Gesicht. Nicht gerade Key-West-Wetter. Verdammt, nicht mal Newark.
    Schlimmer noch, der Mantel trug kein Stück dazu bei, die Kälte zu mildern. Nicht einmal annähernd. Das ramponierte Kleidungsstück hätte genauso gut aus dünnen Blättern der Sonntagszeitung zusammengenäht sein können, so wenig Wärme lieferte es. Der Mantel war alt, an den Säumen abgewetzt und stammte aus zweiter Hand. Wie alles andere in ihrem Leben, seit Don beschlossen hatte, dass es kein Problem sei, sie mit zwei Kindern sitzen zu lassen, ohne Job und nicht mal mit einem Highschool-Abschluss, um sich für einen vernünftigen Job zu bewerben. War es da ein Wunder, dass der Staat ihr die Kinder weggenommen hatte? Wie sollte sie für ihren Lebensunterhalt aufkommen?
    In ihr aufsteigende Wut wärmte sie für kurze Zeit. Obwohl sie fünfzehn Jahre zusammen gewesen waren, hatten sich Don und sie nie die Zeit genommen, es durch den langen – und angeblich furchtbar romantischen – Gang zum Altar offiziell zu machen und zu heiraten, daher waren ihre rechtlichen Möglichkeiten äußerst begrenzt. Vermutlich könnte sie den verlogenen Mistkerl auf Kindesunterhalt verklagen, wenn sie es wirklich darauf anlegte – aber wie sollte sie die Forderung nach Geld für die Kinder durchsetzen, wenn die Kinder nicht mal mehr bei ihr wohnten?
    Stephanie biss vor wieder erstarkter Abscheu die Zähne zusammen. Was sollte es. Arme Leute gingen wegen zivilrechtlicher Angelegenheiten ohnehin nicht vor Gericht. Wegen krimineller Belange schon, sicher, sogar ständig. Man brauchte nur an einem beliebigen Tag der Woche in irgendeiner Großstadt irgendwo im Land irgendein Gericht besuchen, und man bekam zu sehen, was die Armenviertel an Leistungen hervorbrachten.
    Anwälte, Kleidung, Transportmittel – alles kostete Geld. Unmengen an Geld. Und Stephanie konnte sich nicht einmal einen ordentlichen Mantel leisten.
    Dann – aus heiterem Himmel – ein Glücksfall. Zumindest hatte sie das im ersten Moment gedacht. Das erste Mal im Verlauf der letzten sechs Monate, wenn nicht mehr, dass sie ein wenig Glück gehabt hatte.
    Als Stephanie am Morgen aufgewacht war und das Wertkarten-Mobiltelefon auf dem Wohnzimmertisch in der zum Abriss bestimmten Wohnung gefunden hatte, die sie und ihre Kinder ein Zuhause nannten, hatte sie ihren Augen nicht getraut. In ihrem vor Hunger geschwächten Zustand hatte sie geglaubt, das große Los gezogen zu haben.
    Sie hatte sich den Schlaf aus den Augen gerieben, gegähnt und sich gestreckt, bis ein verrenktes Gelenk in ihrer Schulter geknackst hatte, dann hatte sie sich auf dem Sofa aufgesetzt. Da hatte das Telefon gelegen. Es hatte sie förmlich angegrinst, ihr bedeutet, es zu ergreifen.
    Töricht, wie sie war, hatte sie nicht innegehalten, um einen Moment lang zu überlegen, wie es überhaupt dorthin hatte kommen können. Sie hatte sich nicht gefragt, wer es dorthin gelegt hatte oder warum . Der Schlaf hatte ihr Gehirn noch umnebelt.
    Stephanie schüttelte den Kopf. Dumm, im Nachhinein betrachtet,
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