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Jagdopfer

Jagdopfer

Titel: Jagdopfer
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besagter Waffe bedroht.«
    O ja, Wendy genoss es, im Zentrum des Geschehens zu stehen, aufgeblasen davon erzählen zu können und dabei Worte wie »angeblich« und »besagte Waffe« zu verwenden. Schließlich hatte sie im Twelve Sleep County nicht oft Gelegenheit, solche Ausdrücke zu benutzen.
    »Ich hab die gesamte Polizei und beide Rettungswagen alarmiert. Das war heute Morgen um sieben Uhr zwölf.«
    »Haben Sie eine Beschreibung des Reiters?«
    Nach einer kurzen Pause las Wendy aus dem Protokoll vor: »Ende dreißig, mit Bart, blutiges Hemd, groß. Und mit wahnsinnigem Blick, heißt es. Der Verdächtige fuchtelte angeblich auch mit einer Art Plastikschachtel oder Kühlbox herum.«
    Joe lehnte sich weit im Stuhl zurück, um aus seinem kleinen Büro zu sehen, das gleich neben der Eingangstür lag. Sheridan und Lucy klebten noch immer gespannt am Wohnzimmerfenster und sahen in den Hof. Marybeth strich hinter ihnen herum und versuchte, die Kinder dadurch abzulenken, dass sie eine Packung mit Brezeln schüttelte. Genauso machte sie es immer mit Hundekuchen, um Maxine ins Haus zu locken.
    »Warum hat mich niemand verständigt?«, fragte Joe beherrscht. »Ich wohne in der Bighorn Road.«
    Keine Antwort. Schließlich: »Auf die Idee bin ich überhaupt nicht gekommen.«
    Joe dachte an das, was Marybeth über Vern Dunnegan gesagt hatte, hielt aber den Mund.

    »Sheriff Barnum auch nicht«, sagte Wendy etwas kleinlaut.
    »Der Verwundete fuchtelte drohend mit einer Waffe und hielt in der anderen Hand eine Plastikschachtel? Wie hat er dann sein Pferd gezügelt?«
    »Das steht so im Protokoll«, sagte Wendy verschnupft. »Das haben die Camper so berichtet. Die sind nicht von hier. Aus Massachusetts oder Boston oder so.« Das sollte wohl als Erklärung für die Ungereimtheit der Aussage dienen.
    »Welcher Campingplatz?«
    »Hier steht Crazy Woman Creek.«
    Crazy Woman war der letzte befestigte Zeltplatz der Bundesforstverwaltung an der Bighorn Road und diente Wanderern und Reitern im Allgemeinen als Sprungbrett in die Berge.
    »Haben Sie Funkkontakt mit Sheriff Barnum?«
    »Das denk ich doch.«
    »Dann melden Sie ihm, dass der Reiter Ote Keeley gewesen ist und tot auf einem Holzstapel hinter meinem Haus liegt.«
    Joe hörte, wie Wendy nach Luft schnappte und sich bemühte, gefasst zu klingen.
    »Bitte nochmal.«
     
    Joe legte auf und ging zur Hintertür.
    »Du gehst doch nicht nochmal da raus?«, flüsterte Sheridan.
    »Nur für einen Moment.« Joe hoffte, dass seine Stimme beruhigend klang.
    Er schloss die Tür hinter sich und näherte sich langsam Ote Keeley. Dabei ließ er seinen Blick durch den Hof
schweifen und prägte sich den blutbefleckten Gehweg, den Holzstapel und den Eingang zum Canyon genau ein. Er wollte sich ein klares Bild davon verschaffen, wie alles genau jetzt aussah, vor Ankunft des Sheriffs und seiner Leute. Nur nicht wieder alles vermasseln.
    Joe hockte sich neben die Kühlbox und zog Bleistift und zwei Briefumschläge aus der Bademanteltasche. Mit dem Radiergummikopf des Stifts schnipste er einige Kotkügelchen aus der Box in einen Umschlag. Den würde er zur Analyse an die Zentrale schicken. Dann tat er etwas Kot in den anderen Umschlag, klebte beide zu und schob sie wieder in die Tasche. Sollte sich der Sheriff um den Rest kümmern.
    Er ging wieder ins Haus und zog seine Alltagsuniform an - Jeans und ein rotes Hemd mit Ellbogenschützern aus Pronghornleder. Über der Brusttasche steckte sein Namensschild. »Jagdaufseher« stand da. Und darunter »J. Pickett«.
    Als Joe die Treppe runterkam, lagen seine Töchter vor dem verschneiten Fernsehbild, und Marybeth saß am Tisch, auf dem noch das benutzte Geschirr stand. Sie hielt einen großen Becher Kaffee in Händen und blickte gedankenverloren in Joes Richtung.
    Als sie spürte, dass er sie ansah, schaute sie ihm in die Augen.
    »Das wird schon wieder«, sagte Joe und zwang sich dabei ein Lächeln ab. Dann bat er Marybeth, ein paar Sachen zu packen und mit den Kindern nach Saddlestring zu fahren. Sie könnten ins Motel gehen, bis hier alles geklärt und die Spuren des Verbrechens beseitigt wären. Schließlich sollten die Kinder den Toten nicht sehen. Sheridan träumte auch so schon reichlich lebhaft.
    »Joe, wer bezahlt das Motel? Der Staat?«, fragte Marybeth leise, damit die Kinder es nicht hörten.
    »Du meinst, wir können uns das nicht leisten?«, gab Joe ungläubig zurück. Marybeth, die strenge Verwalterin der chronisch knappen Haushaltskasse,
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