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Jagd in die Leere

Jagd in die Leere

Titel: Jagd in die Leere
Autoren: K.M. O'Donnell
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Gesellschaft von anderen Leuten zu betrinken, ging sie in eine kleine Bar in einer Seitenstraße, an die sie sich schwach erinnerte. Sie bestellte beim Barmixer einen Cocktail. Dann noch einen.
    Und einen weiteren.
    Und dann kam der Verfolger herein.

 
Sechzehn
     
    DRINNEN:
    Die Hure – nur war sie nicht länger die Hure ; sie war nur eine Frau – rannte und rannte; sie stolperte durch den Schnee, ungeschickt wie ein neugeborenes Lamm, erlangte aber immer wieder das Gleichgewicht und rannte weiter. Die Hure war auf dem Weg nach Gott-weiß-wohin, und James mußte sie erwischen. Diesmal war es nicht das Werk der Wächter, sondern ein menschlicher Impuls. Er wollte sie nicht töten. Er woll te sie nicht einmal ängstigen, er wollte nur mit ihr reden. Er mußte ihr alles verständlich machen. Wenn es nicht klappte, mußte er ihr wenigstens zu verstehen geben, daß das, was er tat, nichts mit ihr zu tun hatte.
    Und da war noch die Angelegenheit mit dem Barmixer. Zum erstenmal ahnte er die Ausmaße der Sache, die mit ihnen geschah; der Barmixer war der Schlüssel. Falls er sein eigenes Abbild gewesen war, wie er vermutete, und keine Ausgeburt seiner Hysterie, dann klärte das genau, was zwischen ihnen und den Wächtern im Gange war. Andererseits war es möglich, daß er sich gänzlich irrte. Er konnte sich darüber nicht ganz sicher sein, denn es gab nichts, über das man sich völlig sicher sein konnte.
    In der Zwischenzeit mußte er zu der Frau gelangen, mußte mit ihr reden. Er mußte ihr begreiflich machen, was hier vor sich ging.
    Aber es war schwer, ihr in diesem Schneegestöber auf den Fersen zu bleiben. Zur Hölle mit ihr, zur Hölle damit, zur Hölle mit allem. Zwei oder drei Mal hätte er sie fast aus den Augen verloren, und dann war sie um eine Ecke verschwunden. Als er selbst das Ende des Häuserblocks erreicht hatte, hatte er das entschieden dumpfe Gefühl gehabt, sie verloren zu haben. Dann sah er sie wieder, wie sie weit entfernt die Straße hinunterrannte, wahllos in schmalen Seitengäßchen untertauchte und hastig entschwand. Aber sie war noch nicht verschwunden. Er hatte noch immer die Chance, näher an sie heranzukommen.
    Er rannte.
    Er rannte und sie rannte; beide rannten sie ungeschickt durch den Schnee, und er hatte keinen blassen Schimmer, was sie schließlich sagen würde, wenn er sie eingeholt hatte. Zuerst galt es, sie davon zu überzeugen, daß er sie nicht umbringen wollte; er hatte dieses Vorhaben längst aufgegeben. Er wollte lediglich die Lage mit ihr besprechen. Aber wie konnte er das anstellen?
    »Es tut mir leid, dir sagen zu müssen, daß man eine große Sauerei mit uns angestellt hat. Setzen wir uns doch und diskutieren darüber.«
    Oder vielleicht: »In Wirklichkeit will ich dich überhaupt nicht umbringen. Es gibt da einige Dinge, die du verstehen mußt, bevor wir weitermachen.«
    Oder: »Hör mal zu, wir müssen begreifen, was hier eigentlich gespielt wird, bevor wir irgendwas anderes machen.«
    Nein, so würde es nicht hinhauen. Aber immer noch rannte er benommen und leer im Kopf hinter ihr her, seine Ziele genauso unbekannt wie seine Vergangenheit. Als sie die Eight Avenue erreichten, wandte sie sich nach links. Den Abstand etwas verringernd, konn te er nun ausmachen, daß sie schnell und zitternd in Richtung Stadtzentrum ging. Es war offensichtlich, daß sie ihn nicht abschütteln konnte, aber es war ebenso offensichtlich, daß sie das jetzt auch selbst kapiert hatte. Ihr Laufen mäßigte sich zu einem schnellen Gehen. Er konnte den Abstand noch mehr verringern. Dann, einer Eingebung folgend, hielt er inne. Anstatt durch einen Sprint aufzuschließen, hielt er etwa einen halben Häu serblock Abstand zu ihr und verlangsamte sein Tempo, bis er sich ihrer Geschwindigkeit angepaßt hatte. Er wollte sie jetzt noch nicht einholen, sondern sich erst einmal durch eine langsamere Art der Fortbewegung erholen und sie hoffnungsvoll in dieselbe dumpfe Ruhe zurückfallen lassen, die er verspürt hatte, seit er aus der Bar gerannt war. Dann würde er sich ihr nähern. Die Hauptsache war jetzt, daß sie ihm nicht mehr entwischen konnte. Das war alles, worauf es ankam.
    James nahm die Pistole aus der Manteltasche, warf sie weg und schob mit dem Fuß Schnee darüber. Er brauchte sie nicht mehr. Er würde ihr unbewaffnet gegenübertreten, wie ein Strohmann beim Bridge. Das war das beste. Keine Waffe – kein Terror. Als sie die 43rd Street erreichte, brach sie wieder nach links aus, was ihn
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