Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jagd in die Leere

Jagd in die Leere

Titel: Jagd in die Leere
Autoren: K.M. O'Donnell
Vom Netzwerk:
Fahrstuhl benutzen – in Fahrstühlen konnte allerhand passieren, besonders wenn man auf dem Weg nach oben war –, deshalb entschied er sich für die Treppe, nahm wieder zwei oder drei Stufen gleichzeitig, hielt nicht auf den Treppenabsätzen an, eilte durch das dunkle Treppenhaus nach oben, passierte verschiedene Stockwerke, ließ sich treiben, als wäre er eine Thrombose in einem wracken menschlichen Körper auf dem Weg von der Wade zum Gehirn, stolperte durch den Staub und die Abfallhaufen auf den Treppenabsätzen. Er erreichte das achte Stockwerk und suchte ihr Zimmer. Er war nicht einmal außer Atem.
     
    Aber es gab natürlich keinen Grund, warum er das hät te sein sollen.
    Er bog nach rechts ab und ging an den Türen vorbei, überquerte den Korridor und klopfte an die vierte, über der die Zahl 816 stand.
    Es gab überhaupt keinen Grund, warum er es hätte sein sollen.
    Er klopfte an die Tür.
    Drinnen war alles ruhig.
    Das war ausgezeichnet.
    Er klopfte wieder.
    Er hatte jetzt alle Zeit der Welt.
    Nach einiger Zeit öffnete sich die Tür.

 
Siebzehn
     
    DRINNEN:
    »Jetzt dauert es nicht mehr lange«, sagte der Tourist zu Rogers. »Es fängt jetzt tatsächlich an. Mach dir keine Sorgen; wir werden dich nicht verlassen.«
    Mit gekreuzten Beinen saßen sie kreisförmig um ihn herum, und indem sie mit ihren winzigen Armen ihre Knie umfaßten, starrten sie mit zunehmender und zitternder Erwartung auf ihn. Derart umringt von ihnen, kam es Rogers vor, als befände er sich in einer Grube mit kaltem Feuer, so unergründlich brannten ihre Augen.

 
Achtzehn
     
    DRINNEN:
    Es hatte keinen Sinn mehr, wegzulaufen; sie war fertig. Abgesehen davon wünschte sie sich zu sterben, wie sie nur etwas in ihrem Leben gewünscht harte. Der Verfolger kannte jetzt alle die Tricks, und er war würdiger als sie. Einerseits hatte er sich an die Anweisungen gehalten, andererseits hatte er sich besorgt gezeigt. Er warinteressiert. Er war tüchtig. Er tat nur seine Pflicht.
    Nachdem sie einige Zeit das Ohr gegen die Tür gepreßt hatte, um dem Klopfen zu lauschen, zuckte sie die Schultern und öffnete die Tür, sah, im Rahmen stehend, auf die ihr gegenüberstehende Gestalt.
    »Du möchtest es wohl erledigen«, sagte sie, die Ar me ausbreitend und auf die Kugel wartend, die sie zerschmettern würde.
    »Hallo«, sagte er, sie zum ersten Male naher betrachtend, sie beinahe mit Muße musternd, die blauen Ringe unter ihren Augen, das in einer hohen Welle aus der blanken Stirn zurückgekämmte Haar, die Art und Weise, in der sie die Hände öffnete und schloß und ihn anstarrte.
    »Darf ich reinkommen?« fragte er.
    »Du willst reinkommen? Glaubst du, daß das wirk lich notwendig ist?«
    »Ja.«
    »Du kannst mich auf der Stelle töten. Es würde weniger Schmutz verursachen. Warum soll das Blut den Raum beschmutzen? Dann kann er nicht sofort wieder vermietet werden.«
    »Ich will dich nicht umbringen«, sagte er leise.
    »Oh? Wirklich nicht? Wie interessant. Und warum nicht?«
    »Ich habe es einmal getan«, erwiderte er einsilbig, »aber ich werde es nicht mehr tun. Es ist ganz einfach so. Ganz plötzlich verstehe ich die Situation. Ich will dich nicht töten. Ich würde nur mich selbst umbringen.«
    Sie sah ihn an, sah ihn jetzt wirklich zum ersten Mal, und für einen Augenblick nahm er an, daß jetzt bereits eine echte Verbindung zwischen ihnen auf keimte, aber dann verhüllte sich ihr Blick, und er stell te fest, daß es noch nicht soweit war; sie war bloß überrascht. Sie hielt ihn für einen Lügner, sie glaubte nicht ein Wort von dem, was er gesagt hatte.
    »Schau«, sagte er, sein Jackett öffnend und die In nentaschen nach außen stülpend, seine Kleider vorzeigend, »keine Waffe.« Er zog die Taschen seiner Hose heraus, wobei einige Münzen (Wer brauchte jetzt noch Geld?) auf den Boden des Korridors niederprasselten und stopfte sie zurück. »Nichts«, sagte er, »ich habe die Pistole draußen weggeworfen. Ich bin unbewaffnet.«
    »Dann wirst du mich mit deinen Händen erwürgen.«
    »Nein. Das habe ich nicht vor. Du verstehst mich nicht. Ich will dich nicht umbringen.«
    »Nein, du verstehst nicht«, erwiderte sie, der Sache scheinbar überdrüssig; dann drehte sie sich um und ließ ihn hinter sich in das Zimmer folgen. »Ich möchte, daß du mich umbringst. Ich mache mir keine Gedanken mehr darüber. Wirklich nicht.«
    »Dann willst du den Tod«, sagte er. »Ich verstehe das. Genau das ist ihre Art zu arbeiten. Sie bringen dich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher