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Jagd in die Leere

Jagd in die Leere

Titel: Jagd in die Leere
Autoren: K.M. O'Donnell
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ihn euch an.« Ein Kichern setzte im Rund der Manege ein und ein Fußgetrappel – und Rogers sah, wie sie sich langsam in seine Richtung in Bewegung setzten, die Lippen geringschätzig bewegend.
    Aber das konnte ihn nicht berühren. Von den Zehenspitzen bis zu den Fingerkuppen, von den Lippen bis zu den Händen, von den Hüften bis zu den Haarspitzen brannte Rogers. Er fühlte das Feuer. Er fühlte, wie es in ihm loderte.
    Die Hitze wuchs …

 
Zwanzig
     
    DRINNEN:
    Dann sah sie ihn, wie es ihr nicht gelungen war, ihn während den ganzen sechs Tagen ihres Lebens zu sehen, während all den Nächten ihrer Vergangenheit, an die sie sich nur schwach erinnerte. Sie sah ihn, als ob sie diesen Gesichtszügen zum ersten Mal gegenüberstände, aber es war nicht das erste Mal. Es war nichts Fremdes daran, weil es schon tausendmal an allen möglichen Orten geschehen war und jetzt wieder geschah. Sie war geistig gesund und sah ihn an und es gab nichts, wogegen sie ankämpfen konnte. Nein, das war echt, es war absolut echt.
    Sie sah ihn: Sein Gesicht, das ihr Gesicht war, mit Augen, die die ihrigen waren, stumme Lippen, die an diesen kranken Schädel geklebt waren, die Augen aufblickend und leuchtend, Spiegel; an dieser Stelle fühlte sie, daß sie sich selbst sehen konnte, diese Vorstellungen tauchten in ihr auf, aber diejenigen, die gaben, waren gleichzeitig auch die, die nahmen. Sie waren dasselbe. Es gab keinen Unterschied, und indem sie das erkannte, geriet sie mit dem Traum in Konflikt, den sie in allen Nächten ihres Lebens geträumt hatte. Es gab kein Ausweichen; nichts dergleichen: Es war er, und er war er, und er war auch gleichzeitig sie. Es gab nur diese Totalität, sie beide, und das konnte nur heißen …
    Und dann schrie sie.

 
Einundzwanzig
     
    DRAUSSEN:
    Archer zuckte zusammen und wechselte die Positi on. Er stöhnte schwach, aber niemand hörte ihn.
     
    DRINNEN:
    Nachdem sie aufgeschrien hatte, wimmerte sie ein ein ziges Mal, wie ein Hund, und fiel schwer in seine Ar me. Als sie so gegen ihn lehnte und ihr ganzes Gewicht auf eine Stelle in der Nähe seines Magens drückte, sah es so aus, als würde sie nie wieder weggehen, aber James fühlte die Anzeichen eines Kampfes in ihrem Körper; wirklich, eine starke innere Erregung. Und dann begann alles wieder von vorn: Sie bewegte sich, sie entschlüpfte ihm und glitt … weg.
    Sie sah ihn an.
    »Siehst du?« sagte er zu der Gestalt. »Siehst du, was sie uns angetan haben? Kannst du das abschätzen?« Seine Stimme klang in dem geräumigen Zimmer hohl und schwach.
    »Ja«, antwortete ihm die Gestalt.
    »Sie wußten es die ganze Zeit. Sie wußten, was sie taten. Aber weißt du es? Können wir der Sache ein En de machen? Nein. Wir haben nichts gelernt.«
    Die Gestalt schaute ihn an. Sie schien zu blinzeln. Die Luft war ekelhaft schwül und drückend; ein unangenehmer Geruch war in ihr.
    »Das macht keinen Unterschied«, sagte die Gestalt.
    »Warum? Warum? Jetzt wissen wir es. Jetzt kann es aufhören. Jetzt können wir …«
    »Nein«, sagte die Gestalt. »Nein, du bist auf einem völlig falschen Weg. Es macht keinen Unterschied. Wir sind derart korrumpiert, daß die meisten von uns jenseits aller Hoffnung sind. Es muß so weitergehen. Sie taten es. Wir können mit der Realität nicht mehr fertigwerden. Verstehst du das?«
    »Nein, nein, nein!« James verteidigte sich, weil er verstanden hatte , er konnte die Sachlage nicht mehr verkennen. »Nein, es muß nicht so sein; das kannst du mit mir nicht machen. Ich sah. Ich sah …«
    »Du …« sagte die Gestalt, die er umklammerte, die sich in seinem Griff wand. »Du.«
    »Was?«
    »Hör doch auf«, sagte die Gestalt und befreite sich, starb und löste sich zwischen seinen Händen auf, ihn auf ewig haltlos und verwirrt im letzten kleinen Winkel seines Bewußtseins zurücklassend.
    »Macht«, murmelte er, »Macht, Macht …«
     
    DRINNEN:
    »Es geht los! Es geht los!« schrien sie erfreut, und Rogers, dessen Körper wegen des Feuers angespannt war, das in seinem Inneren loderte und brauste, sah die Gestalt auch; sah die Gestalt des einen, der kam, um ihn zu holen. Sie kam aus den Flammen, aus genau dem Feuerkreis, der in seinem Inneren tobte, und dann war sie draußen, sah ihn an, grüßte ihn mit jenem altvertrauten, verschwörerischen Blinzeln. In diesem Moment verstand Rogers alles. Er sah alles. Er wußte, wer die Touristen waren und was sie vorhatten und wo er war und wer er war und auf was er gewartet hatte. Die
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