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Jagd in die Leere

Jagd in die Leere

Titel: Jagd in die Leere
Autoren: K.M. O'Donnell
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hineingegangen, um sich alles einmal anzusehen, hatte sich aber schließlich doch dabei ertappt, wie sie einige Spielchen an den farbigen, flackernden Automaten spielte. Als sie die Kugeln ziellos über die Spiegelfläche jagen sah, war sie davon überzeugt, endlich etwas gefunden zu haben, was noch sinnloser war als das, was in ihrem Innern vor sich ging.
    An Politik war sie nicht interessiert, deshalb waren die Attentäter, wer immer sie auch waren und wen immer sie umgebracht hatten, nicht wichtig für sie; das wußte sie selber nur zu gut.
    Fast hätte er sie geschnappt. Das war das dümmste von allem, sein Leben in einer imaginären Spielhölle an einem Flipperautomaten zu beenden, während ein Aufseher unbeschäftigt herumfluchte; es wäre mehr als passend gewesen, aber so sinnlos. Aber sie hatte zufällig nach links gesehen, nachdem sie sich ein Freispiel erkämpft hatte und ungeschickt versuchte, sich mit einer Hand eine Zigarette anzustecken und die andere am Knopf zu lassen, um die Kugel im Spiel zu halten, als sie ihn sah. Er war praktisch schon neben ihr; seine Augen wanderten durch den ganzen Raum, sahen dann in die ihren, und in diesem erschreckenden Augenblick des Zusammentreffens wurde ihr klar, daß sie so gut wie tot war. Es war alles vorbei. Sie hatte nicht das getan, was man von ihr verlangt hatte. Die X’Ching wußten das, und sie wußte es auch. Jetzt würde er sie abschlachten, um der Sache ein Ende zu bereiten.
    Sie war dumm gewesen, oh, war sie dumm gewesen. Nun würde sie alles bezahlen. Aber sie mußte diesen Schritt tun. Man hatte ihr gesagt, daß sie ihn tun müsse, und weil sie Della war, tat sie ihn. Schnell trat sie von dem Automaten zurück, ergriff ihr Taschenbuch und bewegte sich, den Mann aus den Augenwinkeln musternd, auf den Ausgang zu.
    Sie wußte, daß sie tot sein würde, ehe sie die Tür erreicht hatte, aber man mußte es immerhin versuchen. Das war alles, was das Leben ausmachte. Versuchen.
    Er schien einen Moment wie erstarrt, als sie das tat. Sie vermied es, ihn anzusehen, kniff die Augen zusammen und zählte die letzten schnellen Schritte ihres Lebens: fünf, vier, drei, da war es; jetzt mußte es geschehen, zwei, eins, der Teufel soll den Wächter holen, null, Feuer …
    … und sie war immer noch am Leben, immer noch herrlich unnötigerweise am Leben. Während sie das Klicken und Klappern der Automaten hinter sich hörte, war sie durch die Tür und weg. Er hatte sie nicht umgebracht. Er hatte sie nicht erschossen. Sie war immer noch lebendig; sie funktionierte. Er hatte sie nicht töten wollen, nicht dieses Mal. Er wollte, daß sie lebte.
    Sie waren keine Verbündeten, nicht ganz, aber sie waren auch keine Feinde. Es gab jetzt einen Pakt zwischen ihnen; ein Verstehen. Er wollte nicht, daß sie tot war. Er war nicht ihr Bruder. Aber der Wächter auch nicht. Er wollte sie lebendig.
    Vor ihm.
    Rennend.
    Sie bemerkte, daß sie wegen jedermann, der hinter ihr ging, wegen dem Sonnenstrahl, der blaß auf den schmutzigen Bürgersteig vor ihr schien, wegen all dem weinte. Sie unternahm nichts dagegen, denn sie hatte es verdient.
    Aber das konnte dem Rennen keinen Einhalt gebieten: Sie mußte jetzt rennen, und so tat sie es und blieb so selten wie möglich auf ihrem Zimmer, weil sie In te resse bekunden mußte, indem sie sich durch die Straßen der Stadt bewegte, dem Verfolger immer ein bißchen voraus. Dem Moment des Weinens war ein Augenblick der Aufheiterung nachgefolgt, aber er war vorübergegangen. Jetzt, wo sie den Tränen freien Lauf ließ, waren es Tränen einer anderen Art; es war Frust ration, nichts anderes. Sie konnte den Mann nicht fin den, den sie finden sollte. Es gab keinen Hinweis dafür, daß er existierte oder wo man ihn finden konnte oder was sie tun konnte. Die Hauptsache war, daß sie ihn finden wollte . Die X’Ching hatten sie vollkommen miß verstanden, denn war es nicht in ihrem eigenen Interes se, daß sie ihn so schnell wie möglich fand? Was konnte sie sonst gewinnen; sogar wenn der Verfolger sie nicht töten würde? Er konnte sie allein durch seine Verfolgung fürchterlich verletzen. Sie mußte ihnen das klar machen. Aber da war niemand. Es war niemand da, um zu verstehen.
    Deshalb, weil eine Nacht heranrückte, in der sie nicht wußte, wo sie hingehen sollte (und weil sie nicht mehr verstehen konnte, was mit ihr geschah) und ob es einen Unterschied machte oder nicht, weil sie ganz alleine war und verzweifelt eine Möglichkeit suchte, sich in
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