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Jagd in der Tiefsee (Cryptos)

Jagd in der Tiefsee (Cryptos)

Titel: Jagd in der Tiefsee (Cryptos)
Autoren: Roland Smith
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Schwierigkeiten, vor denen man stand, wenn man Luther etwas schenken wollte, war, dass Luther alles hatte. Zumindest alles, was er wollte. Denn seine dauerabwesenden Eltern sorgten dafür, dass ihm jeder Wunsch im Handumdrehen erfüllt wurde. Eine andere Schwierigkeit war, dass Luther eigentlich nichts wollte. Zumindest keine normalen Dinge.
    Marty holte ein mit Salz gefülltes Marmeladenglas aus dem Schrank hervor und stellte es auf den Labortisch.
    »Wie aufmerksam«, kommentierte Luther. »Ein Salzstreuer! Das trifft sich ja gut, denn ich habe tatsächlich versäumt einen einzupacken.«
    »Na los, nun öffne ihn schon«, drängte Marty.
    Vorsichtig schraubte Luther den Deckel ab, tauchte seinen kleinen Finger in die weißen Kristalle und leckte ihn ab. »Mmmm«, sagte er. »Natriumchlorid. Köstlich!«
    »Ganz richtig, das ist Kochsalz«, bestätigte Marty. »Und jetzt kipp es aus.«
    Luther leerte das Salz ins Spülbecken des Labortisches, wobei auch ein vertrocknetes Etwas mit Reißzähnen aus dem Glas plumpste. Er hob es auf und blies das Salz weg, das auf der Oberfläche klebte. Sofort traten ihm Tränen in die Augen. »Wow, das ist das coolste Geschenk, das ich je bekommen habe«, brachte er hervor. »Ist das etwa der Kopf der grünen Mamba, die du im Kongo erlegt hast?«
    Marty nickte. »Dachte ich’s mir doch, dass er dir gefallen würde«, sagte er, sichtlich erfreut über Luthers Reaktion. »Er ist übrigens von uns beiden, von Grace und mir. Und ich an deiner Stelle würde ihn gut verstauen, die Giftdrüsen sind nämlich noch intakt.«
    Vorsichtig legte Luther den Schlangenkopf zurück in das Marmeladenglas und streute Salz darüber. »Also, ich muss sagen, ich bin wirklich sprachlos!«
    Marty wollte ihm gerade signalisieren, dass das nun wirklich keine große Sache sei, als die Bibliothekstür aufgerissen wurde und Wolfe hereinkam, begleitet von Alf Ikes. Wolfe lächelte. Alf runzelte die Stirn. Die beiden gaben ein höchst seltsames Paar ab: Wolfe war ein wahrer Hüne von einem Mann, an die zwei Meter groß, mit widerspenstigem schwarzem Haar und einem buschigen Bart. Er steckte in einem grauen Sweatshirt, einer ausgebeulten Cargohose und gigantisch großen Sneakern. Alf hingegen war aalglatt rasiert und trug einen dreiteiligen Anzug zu blank polierten Budapester Schuhen. Mit seinem sorgfältig gezogenen Scheitel reichte er gerade mal bis zu Wolfes breiten Schultern.
    »Das hier ist mein Freund Luther Smyth«, sagte Marty zu Wolfe, ohne den dauergenervten Alf Ikes auch nur eines Blickes zu würdigen.
    Wolfes Lächeln wurde noch breiter. Er trat ein paar Schritte vor und schüttelte Luther die Hand. »Willkommen an Bord«, sagte er. »Wie schön, dass du da bist.«
    »Vielen Dank für die Einladung«, erwiderte Luther und warf einen verstohlenen Blick auf Wolfes rechtes Bein, dessen untere Hälfte ein Mokele-Mbembe abgebissen hatte, als Wolfe noch im Kongo lebte und Grace zwei Jahre alt war. Seitdem trug Wolfe eine technisch ausgefeilte Prothese, die der ominöse Ted Bronson eigens für ihn angefertigt hatte.
    »Es gibt eine kleine Planänderung«, eröffnete Wolfe. »Wir stechen noch heute Nacht in See.«
    »Heute Nacht?«, fragten Grace und Marty wie aus einem Mund. In bester Zwillingsmanier sagten sie oft gleichzeitig dasselbe – obwohl sie gar keine Zwillinge mehr waren.
    Wolfe nickte. »Ihr müsst also so schnell wie möglich euer Gepäck auf die Mole schaffen.«
    »Und was ist mit Grace’ Geburtstag?«, fragte Marty. »Ich wollte gerade einen Kuchen backen.«
    »Na, den wirst du wohl auf dem Schiff backen müssen«, entgegnete Wolfe. »Wir feiern ihren Geburtstag auf hoher See.«
    »Es gibt noch ein anderes Problem«, ließ sich Alf vernehmen und warf Marty einen durchdringenden Blick zu. »Du hast nicht zufällig den Schlüssel im Quad stecken lassen?«
    Marty kramte in seinen Taschen. Kein Schlüssel. Dabei lautete eine von Alfs unzähligen Sicherheitsregeln, dass die Zündschlüssel sämtlicher auf Cryptos verkehrender Fahrzeuge nach jeder Fahrt umgehend aus der Zündung zu ziehen seien. Marty hatte keinen blassen Schimmer, warum das so wichtig sein sollte, denn wohin sollte ein Dieb mit dem gestohlenen Fahrzeug schon flüchten?
    »Tut mir leid«, sagte er. »Ich renne und hole ihn.«
    Alf schüttelte den Kopf. »Zu spät. Das Quad ist bereits gestohlen.«
    »Häh? Wer, bitte schön, sollte denn wohl mein Quad klauen?«, fragte Marty verblüfft.
    »Nicht wer «, antwortete Alf.
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