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Jäger

Jäger

Titel: Jäger
Autoren: Greg Bear
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Seekarte. Ein
kleines rotes X markierte die Stelle, an der wir in wärmeres
Wasser geraten waren. Wir waren soeben in eine riesige Wolke
eingetaucht, eine mineralreiche Warmwasserwolke, die wie ein
gewaltiger Pilz über einem Feld von Unterwassergeysiren
aufstieg.
    »Das könnte von dem neuen Feld stammen, von Feld
37«, bemerkte ich und musterte die gedruckte, zwischen uns
klebende Karte des Meeresbodens, auf der die bereits bekannten
Geysirfelder mit grünen Punkten markiert waren. Darüber
hinaus zeigte die Karte sechs mit Rot gekennzeichnete Vulkanschlote,
die sich erst vor kurzem nach einer Eruption gebildet hatten.
    »Mag sein«, sagte Dave. »Könnte aber auch von
Feld 35 kommen. Wir sind nur vier Kilometer östlich von beiden
und das Wasser wälzt sich in dieser Jahreszeit um.«
    Das Meerwasser des Planeten – alles Wasser in den
Ozeanen der Erde – wird im Laufe von ein paar Millionen Jahren
immer wieder durch die vulkanischen Heißwasserschlünde auf
dem Meeresboden geschleust. Das kalte Wasser der Tiefsee sickert
durch Spalten und poröse Gesteinsschichten und trifft an manchen
Stellen – nur wenige Meilen unter der Erdkruste – auf
Magma. Tiefseegeysire speien das auf mehr als 350 Grad Celsius
überhitzte Wasser wieder zum Meeresboden zurück.
    Eigentlich müsste das Wasser bei solch extremen Temperaturen
in Dampf übergehen, doch bei einem Druck von mehr als 250 bar
bleibt es flüssig und quillt wie Rauch aus den Schloten,
kühlt ab, verteilt sich und steigt so warm und mineralreich in
die Höhe, dass es selbst hoch über dem Feld noch
registriert werden kann: als riesige Wolke.
    »Nadia hat mir erzählt, dass Sie nach neuen Arten von
Xenos suchen«, sagte Dave. »Hässliche kleine
Dinger.«
    »Interessante kleine Dinger«, entgegnete ich.
    Fast bei jeder Tauchfahrt in dieser Gegend fand man Xenos -
Xenophyophoren –, die einzelligen Herumtreiber des Meeresbodens,
manche von ihnen so groß wie eine geballte Faust. Xenos sind
entfernt mit Amöben verwandt und haben gewisse Ähnlichkeit
mit einem ganz gewöhnlichen Badeschwamm. Sie benutzen Sand als
Ballast, verkleben ihre Ausscheidungen zu Stützen und bedecken
ihre schleimige Oberfläche mit Tiefseeschutt und Trümmern,
indem sie auf dem Meeresboden umherrollen. Ihre spiralförmigen,
von Röhren durchzogenen Körper verbergen viele Passagiere:
Isopoden, Bakterien, Raubmollusken. Wahre Monster, aber
wunderschön und harmlos.
    »Was ist so interessant an den Xenos?«, fragte Dave.
    »Ich besitze ein Foto, das junge Tiefseeforscher vor zwei
Monaten aufgenommen haben. Nördlich der neuen Vulkanschlote
haben sie etwas entdeckt, das sie als Felder voller
Meeresgänseblümchen bezeichneten. Allerdings konnten
sie die genaue Position nicht angeben, weil einer der Antwortsender
ausgefallen war. Vor zwei Monaten habe ich an der University of
Washington ein gefrorenes Exemplar untersucht, aber es war
völlig kaputt, die Membranen waren zerborsten. Ein weiteres
Exemplar, das in Formalin lag, war nur noch grauer Pudding.«
    Dave hatte bereits bei der Einsatzbesprechung das Nötige
über den Zweck der Tauchfahrt erfahren. Ich erzählte ihm
nichts, das er nicht bereits wusste. »Igitt!«, sagte er.
»Und was verspricht sich Owen davon?«
    »Was auch immer.« Ich grinste.
    Dave zog die Augenbrauen hoch. »Hab verstanden. Ab sofort
werde ich mich nur noch um die eigenen Angelegenheiten kümmern
und das Baby hier steuern«, erklärte er und rieb sich mit
dem Finger unter der Nase. »Aber ob Sie’s glauben oder
nicht, ich habe den Magister in Meeresbiochemie. Vielleicht kann ich
Ihnen mit sachkundiger Hilfe zur Hand gehen, wenn es so weit
ist.«
    »Das hoffe ich doch«, erwiderte ich.
    »Interessiert sich Owen für die Unsterblichkeit? Ich hab
so was läuten hören.«
    »Ich weiß es wirklich nicht.« Ich machte die Augen
zu und tat so, als sei ich eingeschlafen. Dave störte mich
nicht, als er bei fünftausend Fuß den nächsten Check
durchführte. Ich glaube, er mochte meine Art genauso wenig wie
ich seine.
    Owen Montoya wollte beim Ball des Sensenmannes das
Mauerblümchen spielen. Das hatte uns zusammengeführt.
    Mach die Zeitmaschine startklar, Sherman. Zurück in die
Zukunft!

 
Kapitel 3
     
    Drei Wochen zuvor hatte mich ein kleiner blauer Hubschrauber, der
wie eine frisch geschlüpfte Libelle glänzte, über den
Puget Sound nach Anson Island geflogen. Um sechs Uhr abends, bei
herrlichstem Frühlingswetter. Ich fühlte mich so lebendig
wie seit einem Jahr
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