Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jäger

Jäger

Titel: Jäger
Autoren: Greg Bear
Vom Netzwerk:
Sauerstoff
angereicherte Atmosphäre bei einem konstant gehaltenen
Luftdruck, der annähernd dem auf Meereshöhe entsprach.
    Dave griff nach seinem Mikrofon und legte den Schalter um. »Mary an Messenger. Wir sind bei eintausend
Metern. Systeme überprüft. Arbeiten einwandfrei.«
    Kurz darauf war dumpf die Stimme von Jason, unserem Tauchmeister
an Bord des Mutterschiffs, zu hören: »Verstanden, Mary.«
    »Was läuft eigentlich zwischen Nadia und Max?«,
fragte Dave mit anzüglichem Grinsen. Max war wissenschaftlicher
Verbindungsmann auf dem Schiff. Seit Wochen kursierten Gerüchte,
die von einer Beziehung der beiden wissen wollten. »Läuft
zwischen den beiden wirklich was?«
    Die Frage erschien mir deplatziert. »Im Augenblick sicher gar
nichts«, erwiderte ich. »Wahrscheinlich verbringt sie die
meiste Zeit in ihrer Koje unter Deck.«
    »Was hat Max nur, das ich nicht habe?«, fragte Dave mit
einem Augenzwinkern.
    Max war siebenundzwanzig, selbstbewusst, ohne eingebildet zu sein,
sah gut aus und war ein angenehmer Gesprächspartner. Seine
Spezialität waren Vestimentiferanae – Röhrenwürmer. Dave spielte nicht in derselben Liga wie
Max, was das Aussehen betraf – genauso wenig wie ich, wenn ich
ehrlich war.
    »Lassen wir das Thema«, bemerkte ich mit
verdrießlichem Blick. »Ich versuche gerade, über
meine Scheidung wegzukommen.«
    »Armer Junge«, griente Dave. »Keine Frauen, kein
Schach. Da bleibt nur die Philosophie. Erklären Sie mir Kant
oder Hegel, Sie haben die Wahl.«
    Ich musste lachen.
    »Wir haben jede Menge Zeit«, sagte Dave und runzelte wie
ein kleiner Junge ratlos die Stirn. »Wir können entweder
lesen, Schach spielen oder uns besser kennen lernen.« Er
fingerte auf dem Touchpad herum, das am Ende der Armlehne am Sitz
befestigt war, und rief nochmals die Daten für den Luftdruck ab.
Ȁndert sich der Druck etwa? Verdammt noch mal, das
dürfte nicht sein. - Meine Eingeweide machen mich noch
fertig.«
    Ich duckte mich vorsichtshalber.
    Viertausend Fuß.
    »Ich hab Owen nur einmal getroffen«, sagte Dave. Alle,
die für Montoya arbeiteten, nannten ihn Owen oder Owen Montoya,
aber nie Mr. Montoya oder gar Sir. »Seine Leute vertrauen
darauf, dass ich sein teures Spielzeug nicht irgendwann gegen die
Wand setze, aber als er mir die Hand schüttelte, wusste er nicht
einmal, wer ich war. Er muss eine Menge Leute kennen.«
    Ich nickte. Allerdings hatte ich den Eindruck gehabt, dass Montoya
großen Wert auf ein ungestörtes Privatleben legte. Lieber
nicht zu viel von sich preisgeben oder gegenüber bezahlten
Helfern ausplaudern. Schon deshalb empfand ich einen Anflug von Stolz
darauf, dass ich so viele Stunden mit diesem einflussreichen reichen
Mann verbracht hatte und ihm simpatico gewesen war.
    Während meiner ständigen Suche nach finanzieller
Unterstützung hatte ich die unterschiedlichsten reichen und
superreichen Leute kennen gelernt. Montoya war der beste und
angenehmste Gönner in der bunten Schar von Mäzenen gewesen.
Außerdem auch der Einzige, der ein ozeanographisches
Forschungsschiff und ein Tiefseetauchboot besaß.
    Er war sehr viel angenehmer im Umgang als Song Wu, ein
sechzigjähriger chinesischer Nachtclubbesitzer. Song Wu hatte
darauf bestanden, dass ich sein liebstes Verjüngungsmittel
ausprobierte: Extrakt aus der Gallenblase einer Schlange,
verdünnt mit Reiswein. Es war ein Erlebnis gewesen, in Mr. Songs
Wohnzimmer, zweihundert Meter über Hongkong, zu sitzen und
zuzusehen, wie er aus dem kleinen Hautsack ölige grüne
Flüssigkeit in ein Glas presste, während ich mich
bemühte, die Unterhaltung mit seiner sechzehnjährigen
thailändischen Geliebten in Gang zu halten. Mr. Song hatte sich
geweigert, auch nur einen einzigen falschen Fuffziger
herauszurücken, solange ich nicht einen kräftigen Schluck
Schlangengalle genossen hatte.
    Die ganze Zeit über war ein verschrumpelter, steinalter Feng
Shui-Guru in grauem Seidenanzug durch die riesige Wohnung getanzt,
hatte eine billige, golden angemalte Skalenscheibe aus Pappe
über die Marmorfliesen geschwenkt und vor sich hin gebrummelt,
er müsse die Kräfte der Vergangenheit und der Zukunft ins
Gleichgewicht bringen.
    »Kennen Sie Owen persönlich?«, fragte Dave.
    »Nicht besonders gut.«
    Mary’s Triumph trudelte leicht und warnte uns mit
einem leisen Klingeln. Erneut korrigierte Dave die Trimmlage. Die
Thermometer des Tauchboots hatten einen Anstieg der Bordtemperatur
festgestellt. Auf dem Display zwischen uns erschien die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher