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Jäger

Jäger

Titel: Jäger
Autoren: Greg Bear
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bin ich aber schockiert.«
    Shun lächelte. »Es gibt so viele Klugscheißer in
dieser Branche«, sagte sie. »Seien Sie nett.« Ich
spürte ihre Intelligenz, eine ungestüme, von
Konkurrenzdenken geprägte, fiebrige Intelligenz. Beiläufig
kam mir ein typisch männlicher Eroberungsgedanke, den ich aber
sofort verwarf. Und das hatte mit diesem Gesicht, mit diesem
Körper zu tun. So reizvoll Shun auch war: Sicher war sie viel zu
eigenwillig, um es für längere Zeit mit irgendeinem Mann
auszuhalten. Es sei denn, dieser Mann war milliardenschwer.
    »Gus hat über nichts anderes als Uploading
geredet«, sagte sie. »Uploading in Silikon-Gehirne, wissen
Sie? Ich habe das nie sehr überzeugend gefunden, Sie
etwa?«
    »Das Übertragen von Bewusstsein in einen Computer? Nicht
sonderlich«, stimmte ich zu.
    »Philip war zwar brillant, aber nicht konkret genug. Und er
hat ständig nach Geld gefragt. Das ist plump und völlig
unnötig. Wenn Owens Visionäre mit beiden Beinen fest auf
dem Boden der Tatsachen stehen, ist Geld kein Problem.«
    Das war etwas, das ich schon vor langer Zeit begriffen hatte. Man
lernt es zwangsläufig, wenn man mit dem Hut in der Hand die
Sternwoods dieser Welt aufsucht.
    »Es tut mir Leid, sagen zu müssen, dass Owen und Philip
so etwas wie eine Auseinandersetzung hatten. Mr. Castler hat sich mit
rotem Kopf und leeren Händen auf den Heimweg gemacht.« Sie
lächelte fröhlich, als melde sie Sportergebnisse.
    Montoya hatte sein Geld mit Büroklammern gemacht, besser
gesagt mit dem, was Büroklammern im Zeitalter der Kybernetik
gleichkommt: mit TeraSpin Memory Drives. Es waren Speicherchips
für elektronische Haushaltsgeräte, kleiner, schneller,
billiger und mit höherer Kapazität als irgendwelche
vergleichbaren Produkte. Vor zehn Jahren war seine Firma
ungefähr eine Million Dollar in Aktien wert gewesen, aber er
hatte nur ein paar Tausend flüssig. Damals hatte er in einem
schäbigen alten Haus in Wallingford, westlich der University of
Washington, gewohnt. Inzwischen galt er als reichster Mann einer
Region, die auf der Weltkarte der Finanzen in unmittelbarer
Nachbarschaft des Sultanats von Brunei angesiedelt ist.
    Einem derart reichen Gönner war ich bislang noch nicht
begegnet. Ich fragte mich, wie sich Montoya verhalten würde. Das
neueste Foto, das ich von ihm gesehen hatte, war mindestens fünf
Jahre alt. Allzu leicht verwechselt man die Reichen und
Mächtigen mit Göttern. Denn Götter wie Gönner
können dich aus einer Laune heraus in den Himmel heben oder
fallen lassen. Der Hauptunterschied besteht darin, dass es unseren
modernen Göttern gefällt, sich bei ihrem Vornamen
ansprechen zu lassen.
    Shun hob die Hände und rückte meinen Kragen zurecht, als
die hohen Glastüren zur Seite glitten. Ein Hauch von Anis und
Crème de menthe erfüllte die feuchte Abendluft.

 
Kapitel 4
     
    »Wir sind fast da.« Dave rüttelte mich an der
Schulter, deutete auf den piepsenden Tiefenmesser und schaltete ein
Sonar ein, das den Meeresgrund abtastete. Wir befanden uns etwa
hundert Fuß über dem Meeresboden. Ein vom Ultraschallecho
gezeichnetes Bild des Terrains flimmerte in gespenstischen blauen
Wellen über den Monitor. Auf dem Bildschirm war eine Reihe
paralleler Linien zwischen zwei Felswänden auszumachen. Die
Linien ähnelten entfernt den Rippen eines lang gestreckten
Brustkorbs.
    »Ist das ein toter Wal?«, fragte ich, beugte mich nach
rechts und deutete auf den LCD-Bildschirm.
    »Das bezweifle ich«, erwiderte Dave. »Wir kommen
direkt darüber runter. Sehen wir es uns aus der Nähe
an.«
    »Tote Wale sind tolle Einrichtungen«, sagte ich.
»Wie Tankstellen in der Wüste. Propagulen kriechen auf dem
Meeresboden von Leiche zu Leiche. Manche erreichen die vulkanischen
Schlote und setzen sich dort für immer fest.«
    »Das ist eine von vielen Theorien«, räumte Dave
ein. »Aber ich glaube nach wie vor nicht, dass das ein Wal
ist.«
    Er schob einen Hebel an einer Skalierung entlang: Gleich darauf
erbebte das Tauchboot, als wir den Großteil unseres Ballasts in
Form von Eisenstangen abwarfen. »Wir versuchen es mit einer
Auftriebsbremse von zehn Pfund. Tanze wie ein Schmetterling, aber
steche wie eine Biene – wie es so schön
heißt.« Er pumpte komprimierte Luft in die Ballasttanks,
bis wir den Schwebezustand erreicht hatten. Anschließend
richtete er die Antriebsschrauben nach unten und verlangsamte so
unseren Sinkflug. Wir schwebten in einer Höhe von etwa
fünfzig Fuß über dem Meeresboden;
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