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Jäger

Jäger

Titel: Jäger
Autoren: Greg Bear
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nicht der Mensch, der er zu sein
behauptet.
    Das Foto, das aus Robs Umschlag fiel, zeigte Rob und mich irgendwo
in Europa. Aber ich erinnere mich nicht mehr daran, wann und wo es
aufgenommen wurde – falls es überhaupt in Europa war. Nur
eine einfache Gedächtnislücke?
    Warum hat Golochow aufgehört, sich mit den Kleinen
Müttern zu befassen? Weil er befürchtete, das
natürliche Gleichgewicht empfindlich zu stören? Zu diesem
Zeitpunkt war er aber schon fest davon überzeugt, dass die
Bakterien ihr Urteil gefällt und es auf uns abgesehen
hätten.
    Bin ich davon überzeugt?
    Sind Sie davon überzeugt?
    Mein erster Instinkt ist, mich zu wehren. Alle Verbindungen zu
kappen, sämtliche Fäden zu durchtrennen. Zeit für uns,
erwachsen zu werden und unseren Weg allein zu gehen. Wenn die Kleinen
Mütter ein grausames Spiel mit uns treiben wollen, dann sage
ich: Auch wir beherrschen dieses Spiel.
    Allerdings bin ich wirklich sehr erschöpft.
    •
    Ich schlafe nicht gut. Ich lebe in einer schäbigen Wohnung in
Los Angeles, in Culver City, genauer gesagt. So, jetzt wissen Sie es.
Die Klimaanlage ist kaputt und ich ernähre mich von Konserven
aus dem Safeway- Supermarkt. Ständig wechsle ich die
Filialen, in denen ich einkaufe. Und ehe ich den Dosenöffner
benutze, reinige ich ihn jedes Mal mit kochendem Wasser und
Spülmittel.
    Immer noch besitze ich die unvollständige Liste der
wesentlichen Proteine. Hin und wieder denke ich auch noch an den
leuchtenden Pfad zur großen Erkenntnis, zum großen Wurf.
Und dann fallen mir die blauen Papierbögen im Luftpostcouvert
ein, das in Robs Päckchen lag. Vielleicht bedeuteten sie die
andere Hälfte der Lösung – Robs Hälfte. Mag sein,
dass er sie mir als Sicherheitsvorkehrung überließ –
für den Fall, dass er scheiterte.
    Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr: Die Bögen sind
verschollen.
    Nach wie vor rede ich mir ein, dass der Traum noch existiert und
die Geschichte mir mein Leben nicht gestohlen hat. Aber ich kann
nicht arbeiten, kann nirgendwo Arbeit suchen oder finden. Und Mutter
hat auch kein Geld mehr, wie sie sagt.
    Seit letzter Woche ist ihr Telefon tot. Und mir fehlt das Geld, zu
ihr zu fahren und nachzusehen, wie es ihr geht oder was sie treibt.
Eigentlich glaube ich ja, dass es ihr ganz gut geht, obwohl ich
keinen Grund für dieses Gefühl angeben könnte.
    •
    Owen Montoya ist im Krankenhaus. Ich habe die Schlagzeile an einem
Zeitungskiosk gelesen. Ein Nervenzusammenbruch. Er hat versucht,
einen Wissenschaftler zu erstechen, der bei ihm zu Gast war.
    •
    Immer wieder wache ich mitten in der Nacht auf. Häufig
träume ich von Rob. Es sind schlimme Träume, in denen er
mich verfolgt und mir die Schuld an seinem Tod gibt. Und wütend
ist, weil ich mit Lissa geschlafen habe. Wenn ich zu erklären
versuche, dass es nicht meine Schuld war, quittiert er es mit einem
Grinsen, das mich zur Raserei bringt.
    Meine Telefonrechnungen machen mir Angst. (Ich kann sie nicht
bezahlen, aber irgendjemand bezahlt sie, denn das Telefon wurde nicht
abgestellt.) Ich führe Ferngespräche mit Nummern, die ich
nicht kenne. Und wenn ich versuche, sie erneut anzurufen, kennt man
mich dort nicht oder ich habe nur den Anrufbeantworter dran oder eine
Modemleitung, und alles, was ich höre, ist elektronisches
Rauschen und Pfeifen.
    In den letzten Wochen habe ich eine Unmenge Anrufe bekommen, bei
denen niemand dran war. Ich nehme ab und niemand meldet sich. Nur
Stille oder ein Summen aus einer anderen Galaxie.
    Aber ich kann es nicht einfach klingeln lassen.
    Vielleicht hat es mit dieser Wahl zu tun: Die Call Center der
Wahlzentralen der Parteien wählen Hunderte von Nummern
potenzieller Wähler gleichzeitig an. Und wenn ich abnehme,
veranlasst meine Stimme den Computer, einen Telefonisten in die
Leitung zu schalten, aber alle sprechen bereits und sind
belegt…
    So was in der Art. Ganz normal, wirklich. Nichts, worüber ich
mir Sorgen machen müsste.
    Aber achtzig oder neunzig solcher Anrufe pro Tag? Bei einem
Menschen mit einer nicht registrierten Telefonnummer, der in keinem
Wählerverzeichnis eingetragen ist und dessen
Kreditwürdigkeit nur als lausig bezeichnet werden kann? An
manchen Tagen vergesse ich, wer ich bin. Das Telefon hackt mir so
viele Stücke von meiner Zeit weg.
    Letzte Nacht, gegen Mitternacht, nahm ich beim dritten Klingeln
ab. Diesmal war eine Stimme in der Leitung, aber ich kann mich nicht
mehr erinnern, ob ich wach war oder geschlafen habe.
    Es war Rob. Er sagte, er
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