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Die Koenigin der Rebellen

Die Koenigin der Rebellen

Titel: Die Koenigin der Rebellen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Kapitel 1
     
    Erstens: Lokalisation: Ein kalter Raum aus Stahl. Alle Seiten exakt gleich lang —  etwa zwei Meter. Eine angenehme Temperatur, achtzehn Grad,  vielleicht zwanzig. Mobiliar ist kaum vorhanden — eine  schmale, ungepolsterte Liege, rechts neben der Tür in Kopfhöhe  ein Interkomschirm, darunter eine einzige rote Taste. Die Tür   selbst massiv, mehr als mannshoch, ohne sichtbaren Öff-ungsmechanismus. Der Raum ist nur von außen zu öffnen. Die  Luft riecht steril; Klimaanlagenluft, sorgsam gefiltert. 
    Zweitens: Lageerfassung/-beurteilung:   Er ist allein. Vor einer nicht näher zu definierenden   Zeitspanne angekommen und mit einem noch nicht näher   definierten Auftrag.
    Drittens: Aktion — Keine. Ruhephase: Zeit für subjektive Eindrucke.
     
    Kyle war allein, lauschte auf das gleichmäßige, schwere Schlagen seines Herzens und versuchte, einen Rhythmus zu erarbeiten, nach dem er das Verstreichen der Zeit messen konnte. Vor Momenten hatte er das Bewußtsein wiedererlangt und die Augen aufgeschlagen. Langsam, mit der gleichen Bedächtigkeit, die alle seine Bewegungen auszeichnete und die so entsetzlich über die wahre Schnelligkeit hinwegtäuschen konnte, zu der er fähig war, richtete er sich auf seinem Lager auf, blickte einen Moment lang das kalte Videoauge rechts neben der Tür an und nahm dann seine gewohnte Wartestellung ein: aufrecht sitzend, mit leicht nach vorne gebeugten Schultern und untergeschlagenen Beinen; für einen unbeteiligten Zuschauer hätte es ausgesehen, als schliefe er. Aber das tat er nicht. Kyle schlief nie. Er wußte nicht, was Schlaf war, und hätte er es gewußt, hätte er es für eine Vergeudung von Zeit und Energie gehalten.
    Zeit verging.
    Für seinen Auftrag war es irrelevant, wie viel, aber etwas in ihm registrierte trotzdem getreulich ihr Verstreichen: Viertausend Herzschläge — mehr als drei Stunden, bei der verminderten Atem-und Herztätigkeit, zu der er seinen Körper gezwungen hatte. Dann begann der Boden zu zittern; ganz sacht nur, aber deutlich genug, Kyle seine eigene Einschätzung der Gegebenheiten korrigieren zu lassen. Offensichtlich befand er sich nicht in einem Gebäude, sondern in einem Fahrzeug; ein Schiff, möglicherweise auch ein sehr großes Transportflugzeug, in das man ihn gebracht haben mußte, während er bewußtlos war. Ein kaum hörbares Summen drang an sein Bewußtsein, und Kyle öffnete im gleichen Moment die Augen, in dem die Metalltür auf glitt. Herzschlag und Atmung beschleunigten sich wieder, und ein kurzer, nur halb bewußter Befehl zwang eine hypersensibilisierte Drüse in seinem Körper, eine adrenalinähnliche Substanz in seine Blutbahn abzugeben. Als sich die Tür vollends geöffnet hatte und die Gestalt eintrat, war Kyle bereit. Ein Humanoider und eine Dienerkreatur betraten den Raum. Kyle musterte den Vierarmigen flüchtig — durchschnittliche Erscheinung, durchschnittliche Größe, aber von etwas präziseren und schnelleren Bewegungen als gewöhnlich. Kyle stufte ihn automatisch als Angehörigen der Elite-Kaste ein — und wandte seine Aufmerksamkeit dann dem Humanoiden zu. Der Mann war größer als er, ein wenig schlanker, trotzdem etwas übergewichtig. Seine Haut war ein wenig zu blaß. Der Mann war nicht sehr gut in Form. Offensichtlich ein Ureinwohner der Welt, für die auch er, Kyle, konditioniert worden war. Das rote Flammen-M Morons, das auf sein rechtes Handgelenk tätowiert war, wies ihn als Weisungsberechtigten aus. Kyle ignorierte die Dienerkreatur und trat dem Humanoiden einen halben Schritt entgegen. Sein Gesicht blieb starr. Höflichkeitsfloskeln gehörten nicht zu seiner Konditionierung. »Du bist . . .?« »Kyle«, antwortete Kyle, als der Humanoide nicht weitersprach, sondern ihn nur fragend ansah. »Megakrieger erster Klasse, abkommandiert zu . . .« »Ich weiß«, unterbrach ihn der Humanoide. Seine Stimme verriet Nervosität, und Kyle registrierte darüber hinaus deutliche Anzeichen von Furcht — beschleunigter Atem, starke Schweißbildung, kleine, rasche Bewegungen der Finger und Augen, die nicht seiner bewußten Kontrolle unterlagen. Kyle verstand den Grund dieser Furcht nicht — oder doch: es war eindeutig Furcht vor IHM. Aber er verstand nicht, warum der Humanoide Angst vor ihm hatte. Wäre er dazu in der Lage gewesen, hätte er vielleicht Verachtung empfunden. »Spar dir den ganzen Quatsch«, fuhr der Mann nach einer langen, nervösen Pause fort. »Ich weiß, wer du
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