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Jäger und Gejagte

Jäger und Gejagte

Titel: Jäger und Gejagte
Autoren: Nyx Smith
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Pistolenschuß. Unwillkürlich zuckt sie zusammen und hebt den Kopf. Die grelle Laborbeleuchtung treibt ihr das Wasser in die Augen. Sie fährt mit einer Pfote über die juckende Stelle an ihrem Kopf, dann bemerkt sie das Junge, das, vor Angst schreiend, sie immer wieder mit der Nase anstupst.
    Sie springt mit zuckenden Ohren auf und sieht sich rasch um. Der Boden ist mit Blut verschmiert. Zwei Zweibeiner liegen lang ausgestreckt und reglos da: eine Orkfrau in Straßenkleidung und ein Mann in weißem Kittel. Die Orkfrau hat versucht sie zu töten, und der Mann wollte sie daran hindern zu gehen. Beide sehen tot aus. Sie riechen auch tot. Sie bewegen sich nicht. Tikki schüttelt den Kopf, während sie zu verstehen versucht, wie das möglich ist, verdrängt diese Gedanken dann jedoch. Tot ist tot. Sie hat die Orkfrau erschossen, um sich und ihr Junges zu beschützen. Was mit dem Mann geschehen ist, ist jetzt nicht wichtig.
    Sie erzwingt die Verwandlung: Knochen und Muskeln ziehen sich zusammen, Fell verschwindet und wird zu Haut, Pfoten werden zu Händen und Füßen. Das Junge folgt ihrem Beispiel und schlingt beide Arme um ihr rechtes Knie.
    »Tik -ki!«
    »Still«, schnappt sie.
    Tikki hebt die Kanonen auf, die auf dem Boden liegen, und führt das Junge zur Tür. Sie brauchen Kleidung und Geld, und sehr bald werden sie auch Nahrung brauchen, doch zuerst müssen sie diesen Ort verlassen. Wenn ihr irgendwelche Zweibeiner in die Quere kommen, wird sie tun, was sie tun muß, und zwar aus dem einzigen Grund, der außer Frage zu stehen scheint.
    Was zählt, ist jetzt nur noch das Junge.

85
     
    Enoshi Ken beobachtet die Regentropfen, die von außen über die Scheiben der Fenster zum Central Park laufen. Sie sind alle nur Wirbel in einem Strom, kleine Wellen an der Oberfläche eines gewaltigen, unverständlichen Ozeans. Er zieht an seiner Zigarette, trinkt einen Schluck Kaffee und fragt sich, was seine Frau wohl gerade tut. Er fühlt sich sehr weit von ihrem Heim in Philadelphia entfernt. Mit jeder neuen Entwicklung kommt ihm die Distanz größer vor.
    Früher am Nachmittag hat er einen Anruf von seinem Hauptrevisor, Kurushima Jussai, erhalten, der ihm berichtet hat, die Auswertung der Bücher von Hurley- Cooper habe ergeben, daß höchstwahrscheinlich mehrere Personen, darunter auch der Geschäftsführer Vernon Janasova, Konzerngelder hinterzogen haben, um sich persönlich zu bereichern. Kurushima hat außerdem erwähnt, daß gewisse Dinge, die Amy Bermans Abteilung betreffen, zufriedenstellend geklärt worden seien, und zwar mit Hilfe des Leiters der Metawissenschaftsgruppe, Dr. Liron Phalen.
    Enoshi fragt sich, wie es kommt, daß sein eigener Revisor solch einen Bericht abliefert. Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, wann er diesen Bericht erhalten hat: kaum eine Stunde bevor der Verwaltungsdirektor von Hurley-Cooper, Mercedes Feliz, persönlich einen Datenchip mit Beweismaterial abgeliefert hat, welches stark darauf hindeutet, daß die Köpfe der Metawissenschaftsgruppe in betrügerische Machenschaften verwickelt sind und insgesamt dreizehn Millionen Nuyen hinterzogen haben. Eine Person, ein gewisser Dr. Hill, hat nicht weniger als drei Millionen Nuyen auf einem Geheimkonto bei der UCAS-Bank. Das Beweismaterial legt nahe, daß dieses Konto benutzt wurde, um hinterzogene Gelder in fragwürdige Kanäle weiterzuleiten, die tatsächlich zu Shadowrunnern und anderen Kriminellen führen könnten.
    »Den größten Teil dieser Informationen hat Amy Berman zusammengetragen«, hat Mercedes Feliz berichtet, »und zwar auf meine Anweisung.«
    Enoshi reibt sich die Stirn, da er spürt, daß Kopfschmerzen im Anzug sind.
    Sein Sekretär kommt, um die Ankunft Usami Geks, seines obersten Sicherheitsbeamten, und des Magiers zu melden, der kürzlich von KFK Nordamerika abgestellt wurde, um bei der Untersuchung zu helfen: Kajitori Saru. Der Magier war kaum einen Tag in New York, als plötzlich die Hölle ausbrach.
    Usami berichtet: »Es hat den Anschein, als habe die Störung in der Metawissenschaftsanlage mit einer Explosion unbestimmten Ursprungs begonnen. Das Personal der Abteilung berichtet, daß ein paranormales Wesen entkommen ist, das als Testobjekt benutzt wurde. Zahlreiche Personen wurden verletzt. Drei sind tot: Dr. Liron Phalen, Dr. Benjamin Hill und eine Assistentin. Dr. Phalen scheint einem Anschlag arkaner Natur zum Opfer gefallen zu sein. Vorläufige Indizien weisen darauf hin, daß Dr. Ben Hill die Assistentin
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