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Jack Taylor liegt falsch

Jack Taylor liegt falsch

Titel: Jack Taylor liegt falsch
Autoren: Ken Bruen
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großes Bedürfnis nach Klärung, nach Sinnstiftung, oder vielmehr nach gar keinem Sinn. Ein Bedürfnis, zur echten Praxis zurückzukehren, zur wirklichen Mühe. Bedürfnis, den großen Zweifel anzustacheln. Bedürfnis nach dem Geist der Erleuchtung. Am klaren Licht dranbleiben.
    Ein blöder Stromschlag in Bangkok sollte ihn dann umbringen, auf halbem Wege.
    Aura der Verlorenen, Verpeilten.
    In London neigte ich dazu, an den Gefallenen dranzubleiben. Meine Aura von Erosion und Verfall war eine Leuchtbake für Wanderer, die die Straße weniger gut überlebt hatten. Die Säufer, Giftler, Knackis, Versager, toten Engel. Kommt her zu mir alle, die ihr verloren seid, und ich werde euch identifizieren. Zwei Menschen habe ich am meisten gepflegt. Sie gehören zum Rand der Randgruppe, die ich umrissen habe. Detective Sergeant Keegan war ein Schwein. Schlimmer, er war stolz drauf. Von trüber irischer Abstammung, war seine Basis Südost-London, Brixton-Peckham sein bevorzugtes Revier.
    Laut, vulgär, bigott steuerte er auf seine Entlassung von den Ordnungskräften hin.
    Ich trank in der Railton Road, gleichzeitig mit Katerpflege und Koksschmachter beschäftigt. Die Gästeschaft war vorwiegend schwarz. Auch ein paar Weiße, natürlich, die falsch abgebogen waren. Das Lieblingsgetränk war schwarzer Rum mit Coca oder ohne. Volle Socke Bob Marley. Ein Dreadlocksträger wollte mir eine Rolex verkaufen. Ich sagte:
    »Ich sehe nie auf die Uhr.«
    »Mann, dann schenk sie deiner Lady.«
    »Keine Lady.«
    Er warf die Locken zurück und fiel in Bob Marleys »No Woman, No Cry« ein.
    Ich liebe dieses Lied.
    Durch den Rauch, lauter als die Musik, hörte ich schallendes Gelächter. Sah über die Schulter, sah einen großen, dicken Mann, der eine Gruppe von Menschen überragte. Sein Anzugsjackett lag auf dem Fußboden, ein Schmerbauch hatte die Knöpfe von seinem Hemd gesprengt. Er hatte ein scharlachrotes Gesicht, verwüstet unter Schweiß. Mitten in einem Witz begriffen, gestikulierte er obszön. Ich murrte:
    »Einödbauer.«
    Vielleicht lauter, als ich beabsichtigt hatte, denn der Dread hatte es mitgekriegt und sagte:
    »Mit dem Mann legt man sich besser nicht an.«
    Ich lag einen Rum weit vorne, es war mir wurscht, ich fragte:
    »Wieso nicht?«
    »Das ist Keegan. Der kann muy Ärger machen.«
    »Sieht aber aus wie ein fetter Furz.«
    Der Dread sah mir in die Augen und sagte:
    »Du bist ja Ire, Mann.«
    Und verpisste sich. Ich signalisierte ein weiteres Getränk herbei. Das Zeug war ein Ideechen zu süß für meinen Geschmack, ging aber runter wie eine geschmeidige Lüge. Ich sah wieder Keegan an, der nunmehr »Living Next Door to Alice« sang. Ich hörte aus dem Text eindeutig das Wort »Blowjob« heraus, was definitiv eine Leistung ist, wenngleich eine herzlich sinnlose. Ich stellte mir vor, er ist eins von beiden, entweder hat er Verbindungen, oder er ist Bulle. Nicht, dass das streng entwede r – oder wäre.
    Im Kopf versuchte ich, wieder auf den Text von »Philosopher’s Stone« zu kommen. Später, in meinem bekackten Wohnschlafzimmer, wagte ich mich an Marianne Faithfulls Version von »Madame George«. Das ist ja wirklich ein Schmachtfetzen.
    Eine Schulter knallte gegen mich, und ich verschüttete mein Getränk. Ich machte:
    »Ja, was, verdammte Schei…«
    Hörte:
    »Tut mir leid, Kumpel.«
    Drehte mich um und sah Keegans Gesicht; leid tat ihm nichts. Der Subtext seiner Worte lautete: »Fick dich selbst ins Knie.« Erbetrachtete mich, kalkulierte, sagte:
    »Du bist Bulle.«
    »Jetzt nicht mehr.«
    »Ein irischer Bulle. Schöne Scheiße auc h … , von der Garda Schikini.«
    »Síochána.«
    »Schicker was?«
    »Die Aussprache, bei dir klingt es wie aus dem Arsch heraus.«
    Einen entsetzlichen Augenblick lang dachte ich, er würde mich umarmen. Der Gedanke tanzte in seinen Augen herum, verblich, dann:
    »Ich liebe die Iren; zumindest ein paar von den Scheißkerlen.«
    »Warum?«
    Große Lache. Köpfe fuhren herum, dann wieder zurück. Alles an ihm rief Tier, Bauerntölpel, Galgenstrick. Aber die Lache, für die konnte man ihm einiges verzeihen. Kam von ganz unten und war mit Plackerei und Schmerz bestreut. Er sagte:
    »Ich habe mal in Galway Urlaub gemacht, wegen der Rennen, aber ich habe da kein einziges gottverdammtes Pferd zu sehen gekriegt.«
    »Ich bin aus Galway.«
    »Das glaube ich jetzt nicht.«
    Niemand behauptet, aus Galway zu sein; entweder ist man daher oder nicht. Ich wusste, dass ich alles sofort und auf der Stelle
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