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Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Jack Morrow und das Grab der Zeit: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Autoren: Niel Bushnell
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spürte nach etwas, dass er dort zu finden hoffte. Er lächelte in sich hin ein; er hatte das Gesuchte gefunden. Es war immer noch dort, nach all der Zeit, und es ließ ihn hinein.
    Jack öffnete den Tränentunnel, und als er hineinfiel, zog er Rouland mit sich.

29 Lord Nelson
    29
    Lord Nelson
    J ack wurde von Euphorie überwältigt. Erinnerungen aus al ter Zeit strömten auf ihn ein, in lebhaften Farben und Klän gen. Er sah große Schlachten, spürte, wie Panik ihn lähmte, roch Kanonenfeuer und hörte Schlachtenlärm.
    Die Gezeiten der Historie flossen diesen Tränentunnel entlang und erweckten die darin bewahrten Erinnerungen wieder zum Leben. In die größeren Ströme der Geschichte waren die schmaleren Nebenflüsse des persönlichen Verlustes eingewebt; die Trauer einer Ehefrau, die heimlichen Tränen einer Geliebten, die Verwirrung einer hinterbliebenen Tochter. Es war alles da, ebbte ab, strömte heran.
    Stimmen gellten in seinen Ohren, Schreckensschreie, Rufe nach dem verlorenen Führer. Eine gewaltige Prozession von Männern bewahrte ihn in ihren Gedanken und sang seinen Namen wieder und wieder.
    Vizeadmiral Horatio Nelson, der Held der königlichen Marine, gefallen bei der Schlacht von Trafalgar. Nelson war direkt unter der Kuppel der Kathedrale bestattet worden, in einem großen schwarzen Sarkophag. Auf diesen Sarkophag hatte Rouland sich gestützt. Auf diesen Sarkophag hatte der Grimnar gezeigt. Dieser Sarkophag hatte Jack befreit.
    Er reiste Nelsons Tränentunnel entlang, zurück zum Oktober 1 8 0 5, die Arme um Roulands Hals geschlungen.
    Ihr Sturz währte eine Ewigkeit, und die ganze Zeit über schrie Rouland. Er kämpfte gegen Jacks Griff an und versuchte freizukommen. Seine Angst war mit Händen zu greifen.
    Sie stürzten durch eine neue Woge der Gefühle fremder Leute, durch neue Ausbrüche der Trauer. Die einander über lagernden Bilder waren voller patriotischer Leidenschaft und die Emotionen beinahe überwältigend. Mitten zwischen diesen Wehklagen spürte Jack, wie schon neulich bei Davey, die Umrisse von Roulands Geist, lauter Erinnerungen aus sei nem unnatürlich langen Leben. Jede Menge Hass, jede Menge Leid. Er bekam einen flüchtigen Eindruck von seinem Aufstieg zur Macht, seinen schrecklichen Experimenten und seiner Suche nach der Anderswelt und wollte nichts als von diesem verdrehten Geist wieder wegzukommen. Er zog sich davon zurück, versank tiefer in der Zeit, bis er Roulands früheste Erinnerung sah: Er wurde halbtot an einen Strand ge spült, an irgendeine verlassene Küste. Und davor? Nichts. Eine Mauer aus undurchdringlicher Schwärze verwehrte ihnen beiden einen Blick auf Roulands früheres Leben. Die Schwärze tat weh, und Jack schreckte vor ihr zurück und verlor Rouland aus seinem Griff.
    Dann wurde alles weiß, und Jack wusste, dass er sich dem Ende näherte. Das Weiß ging in absolute Schwärze über, und um ihn herum wurde es still.
    Jack lag, alle viere von sich gesteckt, auf dem Rücken. Der Raum war dunkel, kalt und feucht. Ein stiller ungastlicher Ort. Rouland war nirgends zu sehen. Jack lauschte nach seinem Atem, hörte jedoch nichts. Er tastete sich durch die Dunkelheit bis zur Wand. Er hörte ein Klicken, eine Tür öffnete sich einen Spalt, und schwacher Lichtschein erhellte die Krypta. Jack stand aufrecht an der Wand, als ein einzelner Mann eintrat, der eine schaukelnde Laterne in der Hand hielt.
    »Wer ist da?«, rief der Mann mit unsicherer Stimme.
    Es war nicht Rouland.
    »Heda!«, rief der Mann noch einmal, und Jack fiel etwas merkwürdig Vertrautes an seiner Art auf. Sein langes Gesicht im trüben Schein der Lampe war weniger zerknittert, als Jack es in Erinnerung hatte, sein borstiger Bart mehr rot als weiß, aber seine Gesichtszüge waren unverkennbar.
    »Sexton?«, fragte Jack und trat aus den Schatten.
    Der Alte zuckte zusammen und hielt seine Laterne so, dass er Jack sehen konnte. »Hab dich noch nie gesehen. Woher kennst du mich? Was hast du hier unten zu suchen?«, fragte er barsch.
    Jack lächelte; er war sich jetzt sicher, dass es Sexton Clay war, der Totengräber. Er hatte diesen Mann sterben gesehen, durch Roulands Hände, im Jahr 1813. Aber da war er nun, acht Jahre jünger und quicklebendig. Die Paradoxien des Zeitreisens verblüfften und amüsierten Jack in gleichem Maße.
    »Sexton, ich heiße Jack Morrow. Ich bin ein Springer von stromaufwärts. Wir kennen uns von früher … aus der Zukunft. Ich bin zusammen mit meinem Freund Davey ins Jahr
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