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Jack McEvoy 01 - Der Poet

Jack McEvoy 01 - Der Poet

Titel: Jack McEvoy 01 - Der Poet
Autoren: Michael Connelly
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zukamen. Jeden Schritt. Er wünschte sich, er wäre älter, größer, damit er das oberste Bord erreichen konnte. Wenn es doch nur so wäre! Dann würde sein Best Pal eine Überraschung erleben.
    Gladden kehrte in die Gegenwart zurück. Er schaute sich um. Die Fahrt war zu Ende, und die letzten Kinder liefen zu ihren wartenden Eltern. Es hatte sich bereits eine neue Schlange von Kindern gebildet, die darauf brannten, zum Karussell zu stürmen und sich ein Pferd auszusuchen. Er hielt abermals nach einem dunkelhaarigen Mädchen mit glatter, brauner Haut Ausschau, sah aber keines. Dann bemerkte er, dass die Frau, die den Kindern die Tickets abnahm, ihn anstarrte. Ihre Blicke trafen sich, und Gladden schaute fort. Er rückte den Riemen seines Seesacks zurecht. Das Gewicht der Kamera und der Bücher darin hatte ihn über seine Schulter nach unten gezerrt. Er nahm sich vor, die Bücher das nächste Mal im Wagen zu lassen. Gladden warf einen letzten Blick auf das Karussell und strebte dann auf eine der zur Pier hinausführenden Türen zu.
    Als er die Tür erreicht hatte, warf er noch einen beiläufigen Blick auf die Frau. Die Kinder kreischten vergnügt. Und die Frau, die die Tickets einsammelte, hatte ihn bereits wieder vergessen. Er war in Sicherheit.
4
    Laurie Prine schaute von ihrem Terminal auf und lächelte, als ich hereinkam. Ich hatte gehofft, dass sie da sein würde. Ich ging um den Tresen herum, zog mir einen Stuhl von einem leeren Schreibtisch heran und setzte mich neben sie. Es schien ein ruhiger Moment in der Rocky-Bibliothek zu sein. »Oh nein«, sagte sie vergnügt. »Wenn Sie kommen und sich hinsetzen, dann weiß ich, dass es ein langer Tag werden wird.«
    Das bezog sich auf die ausführlichen Recherchen, um die ich sie gewöhnlich bat, wenn ich eine Story vorbereitete. Ich wollte immer wissen, was über das Thema geschrieben worden war und wo.
    »Tut mir Leid«, sagte ich mit gespieltem Bedauern. »Hiermit könnten Sie für den Rest des Tages an Lex und Nex beschäftigt sein.«
    »Sie meinen, falls ich hineinkomme! Was brauchen Sie?« Sie sah sehr gut aus, putzte sich aber nie besonders heraus. Sie hatte dunkles Haar, das ich noch nie anders als geflochten gesehen hatte, braune Augen hinter einer Nickelbrille und volle Lippen, die sie nicht schminkte. Sie zog einen Notizblock heran, rückte ihre Brille zurecht und griff nach einem Kugelschreiber, bereit, zu notieren, was ich haben wollte. Lexis und Nexis waren Computer-Datenbanken für die meisten großen und weniger großen Zeitungen im Lande, außerdem für Gerichtsurteile und eine Unmenge anderer Parkplätze auf der Datenautobahn. Wenn man herausfinden wollte, wie viel über ein spezielles Thema oder eine bestimmte Story geschrieben worden war, dann war das Lexis/Nexis-Network der Ort, an dem man die Suche begann.
    »Selbstmorde von Polizisten«, sagte ich. »Ich möchte alles wissen, was sich darüber finden lässt.«
    Ihre Haltung versteifte sich. Vermutlich dachte sie, ich würde privat danach suchen wollen. Computerzeit ist teuer, und der Konzern hat die Verwendung für private Zwecke strikt verboten.
    »Keine Sorge. Ich arbeite an einer Story. Glenn hat gerade seine Zustimmung gegeben.«
    Sie nickte, aber ich war nicht sicher, ob sie mir glaubte. Ich vermutete, dass sie bei Glenn rückfragen würde. Ihre Augen kehrten zu ihrem Block zurück.
    »Was ich brauche, sind sämtliche nationalen Statistiken über derartige Vorfälle, sämtliche Statistiken über das Verhältnis von Polizisten-Selbstmorden zu denen in anderen Jobs und der Gesamtbevölkerung sowie jede Erwähnung von Regierungs- oder anderen Organisationen, die sich vielleicht mit diesem Thema beschäftigt haben. Ach ja, und außerdem alle Glossen.«
    »Glossen?«
    »Sie wissen schon, alles, was je über Polizisten-Selbstmorde geschrieben worden ist. Gehen Sie fünf Jahre zurück. Ich bin auf der Suche nach Beispielen.«
    »Wie Ihr...«
    Sie hatte den Satz ohne nachzudenken begonnen.
    »Ja, wie mein Bruder.«
    »Es tut mir so leid.«
    Mehr sagte sie nicht. Ich ließ das Schweigen ein paar Augenblicke zwischen uns verharren, dann fragte ich sie, wie lange die Computersuche ihrer Meinung nach dauern würde.
    »Also, es ist im Grunde eine Routinesache, nichts Besonderes. Es wird mich einige Zeit kosten, und wie Sie wissen, muss ich unterbrechen, wenn Dringenderes dazwischenkommt. Wie wäre es mit heute am späten Nachmittag?«
    »Wunderbar.«
    Nachdem ich in den Redaktionssaal zurückgekehrt
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