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Isis

Isis

Titel: Isis
Autoren: Brigitte Riebe
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andere als leicht gefallen war.
    Aber die Amme genoss Basas Gunst, und es wäre unklug gewesen, den Namen ihrer Freundin zu erwähnen, die sie jetzt viel lieber an ihrer Seite gehabt hätte. Selene war ihm nicht nur deswegen suspekt, weil sie sagte, was sie dachte, und sich von keinem einschüchtern ließ. Er beschimpfte sie wegen ihrer grünen Augen als »Fischdämonin« und hasste sie mittlerweile so, wie er sie früher begehrt hatte.
    Der Grund dafür lag auf der Hand: Sein Werben hatte Selene, die aus Keftiu stammte, nicht mehr als ein Lächeln entlockt. Sie liebte ihren Nezem, den Steinmetz, der am Hof der »Gottesgemahlin des Amun«, wie die höchste Priesterin hieß, gut bezahlte Arbeit gefunden hatte und mit seinen Händen Steine zum Leben erwecken konnte. Selene dachte nicht daran, sich mit einem anderen einzulassen, geschweige denn mit dem Ehemann ihrer Freundin. Wutentbrannt darüber, dass eine Frau und eine Fremde dazu es gewagt hatte, sich ihm zu verweigern, hatte Basa Sarit den Umgang mit Selene kurzerhand untersagt.
    Nicht einen Augenblick hatte Sarit sich an dieses Verbot gehalten. Allerdings wollte sie vermeiden, Basas Zorn unnötig zu reizen, der aus dem Nichts aufsteigen konnte, um dann schwarz und stark wie eine Gewitterwolke loszustürmen, die alles unter sich hinwegfegte. Daher trafen sich die beiden Freundinnen nur noch heimlich. Wegen der fortgeschrittenen Schwangerschaft war Sarit mehr und mehr auf die Hilfe der Amme angewiesen, was ihr nicht gefiel, denn eigentlich erschien ihr die Amme des Kleinen kaum weniger suspekt als Basas Hafendirnen. Aber blieb ihr eine andere Wahl?
    Die Amme Ruza war die Einzige, die das schier Unmögliche tun konnte — und hoffentlich auch tun würde. Sie war Sarits letzter Ausweg, was der Hochschwangeren schlaflose Nächte bereitete. Sie liebt das Kleine wie ihr eigen Fleisch und Blut, versuchte sie sich Mut zuzusprechen. Niemals würde sie zulassen, dass ihm hinter ihrem Rücken ein Leid geschieht. Aber es fiel ihr noch immer schwer, wirklich daran zu glauben.
    Basa runzelte die Stirn, und die helle Narbe an seiner Braue begann zu zucken. Normalerweise verließ er sich auf sein Siegerlächeln, das auf Frauen wie Männer wirkte. Jetzt aber, im frühen Licht des Morgens, erinnerte er sie mit der gebogenen Nase und seinem kräftigen Körper mehr denn je an einen Raubvogel.
    Plötzliche Angst zog ihr das Herz zusammen. Für ihn war sie nichts als ein fruchtbarer Schoß, der Söhne hervorbringen sollte — makellose Söhne. Versagte sie abermals, wie sie es in seinen Augen schon einmal so kläglich getan hatte, würde er keine Gnade kennen.
    »Bitte!«, fügte sie in dem unterwürfigen Ton hinzu, der ihn manchmal umstimmen konnte. »Tu es für Khay!«
    Bei der Erwähnung seines Erstgeborenen schien er tatsächlich unschlüssig geworden zu sein, denn plötzlich schrie er die Hebamme an: »Hast du nicht gehört, was sie gesagt hat? Verschwinde! Und lass dich hier nicht wieder blicken!«
    Die alte Frau ließ sich dies nicht zweimal sagen. Vorsichtshalber hatte sie den Löwenanteil des vereinbarten Silbers im Voraus kassiert, denn der Erste Baumeister des Stadtfürsten Montemhet war für seine Launen bekannt. Sich mit Basa anzulegen konnte gefährlich sein. Es gab viele in Waset, die das bereits zu spüren bekommen hatten, zumal in diesen unruhigen Zeiten, da täglich neue Schreckensmeldungen über den Vormarsch der Assyrer stromaufwärts die Runde machten. Bereits vor drei Jahren hatten sie die Stadt belagert, wegen einer tödlichen Seuche im Heerlager jedoch unverrichteter Dinge wieder abziehen müssen. Es gehörte nicht viel Phantasie dazu sich auszumalen, was geschehen würde, wenn sie nun abermals anrückten — und dieses Mal Erfolg hätten.
    Die Hebamme war so schnell draußen, dass sie beinahe das Kind vor der Tür umgerannt hätte. Der kleine Junge in seinem fleckigen Leinenhemd rieb sich erschrocken die Stirn: ein hübscher Dreijähriger, kahl geschoren bis auf die übliche Jugendlocke, der gewöhnlich äußerst selbstbewusst auf seinen pummligen Beinchen umherstolzierte. Jetzt jedoch hatte ihn der ungewohnte Lärm ängstlich gemacht.
    »Mama«, rief er und begann loszuschluchzen. »Meine Mama!«
    Ruza gelang es gerade noch, ihn an der Schwelle einzufangen.
    »Du kannst jetzt nicht zu deiner Mama, Khay.« Sie hob ihn hoch und drückte ihn gegen ihre Brust, die schwer und weich geblieben war, weil sie noch immer stillte, wenngleich ihre Milch schon lange nicht
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