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Isis

Isis

Titel: Isis
Autoren: Brigitte Riebe
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Sicherheit, wohnte in einem schönen Haus — und ihr kleines Mädchen lebte.
    Freilich war sie schlau genug, solche Phantasien niemandem anzuvertrauen, nicht einmal Neshet, die von allen Mägden am freundlichsten war und ihr manchmal sogar eine Extraration frisch gebrautes Dattelbier zukommen ließ. Ruza blieb dennoch auf der Hut. Sie wusste, sie konnte nicht vorsichtig genug sein. Denn wenn Basa erfahren sollte, was sie sich heimlich zusammenspann, würde er nicht zögern, sie auf der Stelle hinauszuwerfen.
    »Ich werde auch ganz vorsichtig sein«, schickte sie in einem Anflug von schlechtem Gewissen hinterher. Ein schwaches Nicken. Erstaunlicherweise schien ihr Vorschlag der Herrin zu gefallen.
    Ruza zog die Decke beiseite und bemühte sich, ihr Erschrecken nicht zu zeigen, als sie Sarits Hemd nach oben schob.
    Die Haut hatte einen fahlen Olivton, der sich an manchen Stellen vertiefte, an den Schlüsselbeinen, feinknochig wie bei einem Mädchen, und den Rippen, die ihr geradezu zerbrechlich vorkamen. Sarits Arme und Beine waren während der Schwangerschaft dünn wie Holzstäbe geworden, während der Leib zum Platzen reif wirkte. Mit einem feuchten Lappen fuhr Ruza vorsichtig über den Körper. Das Gemisch aus Natron und Sand, das sie als Seife angerührt hatte, verströmte einen erdigen Geruch, der die Schwangere zu beruhigen schien. Jetzt war es still im Haus geworden, und die wenigen Laute, die zu hören waren, klangen gedämpft wie durch dicke Tücher zu ihnen herein.
    »Ich weiß, dass ich entsetzlich aussehe«, sagte Sarit, die sich unter den Händen der Amme allmählich entspannte, unvermittelt. »Aber was macht das schon? Seit Monden hat er mich nicht mehr angerührt. Der große Basa hat offenbar Zerstreuungen gefunden, die ihn mehr befriedigen.« Sie verzog den Mund. »Wer ins Herz der Finsternis reist, muss mit allem rechnen.«
    »Du brauchst dich nicht zu fürchten!« Ruza gab sich Mühe, zuversichtlich zu klingen. Früher hatte Sarit stets so kühl und elegant gewirkt. Sie war das schönste Mädchen Wasets gewesen, ausgestattet mit einer sagenhaften Mitgift, das Basa als Hartnäckigster unter vielen Bewerbern schließlich heimgeführt hatte. Jetzt schien ihre Jugend schon nach wenigen Jahren ebenso verflogen wie ihre Schönheit. Ruza deckte sie wieder zu. »Für jede Frau kommt irgendwann der Punkt, wo der Mut sie verlassen will. Aber Isis beschützt alle Gebärenden. Sie wird auch dir beistehen.«
    Die Amme unterdrückte einen Schrei, denn Sarits spitze Fingernägel hatten sich plötzlich in ihr Fleisch gebohrt.
    »Und du?« Mit erstaunlicher Kraft hielt sie Ruzas Gelenk umklammert. »Womit hat er dich geködert? Silbertropfen?
    Brünstige Umarmungen? Komm schon, verrat es mir! Was ist ihm sein Verbrechen wert?«
    »Was meinst du damit?« Allein die Erinnerung an seinen Atem auf ihrer Haut ließ Ruza frösteln. Sie verabscheute Basa. Aber sie fürchtete ihn nicht minder. Wenn er in Zorn geriet, weil man verweigerte, was er begehrte, konnte der Baumeister unberechenbar werden wie ein wütender Elefantenbulle. Sie riss sich los. »Du tust mir weh!«
    »Du sollst das Neugeborene ersticken, falls es wie das Kleine ist. Das verlangt er doch von dir! Und anschließend auch das Kleine töten.« Mit einem Seufzer sank Sarit zurück.
    »Ich bin weder taub noch blind. Mir könnt ihr nichts vormachen!«
    »Niemals!« Ruza erschrak, wie dünn ihre Stimme klang.
    »Du weißt ja nicht, was du da sagst!« Ihr Herz hämmerte gegen die Rippen. Musste sie jetzt darum bangen, ihr sicheres, bequemes Leben aufzugeben — und das Kleine, das ihr so ans Herz gewachsen war?
    Sarit schien sie gar nicht zu hören. »Aber wenn du das tust«, sagte sie, »ist auch dein Leben in Gefahr. Hast du daran schon mal gedacht?«
    Ruza starrte sie misstrauisch an.
    »Basa kann sich keine Mitwisser leisten. Und er geht immer konsequent vor — bis zum bitteren Ende. Kein Mensch hat jemals mehr von der Hebamme gehört, die das Kleine zur Welt gebracht hat. Verschwunden ist sie, spurlos, als habe sie niemals gelebt. Willst du auch so enden?«
    »Soll das heißen, er hat sie ...«
    »Dummköpfe, nichts anderes sind wir doch alle in seinen Augen! Nur er ist so klug, so stark, so unbesiegbar. Aber ich weiß, wie wir ihn schlagen können. Wirst du mir helfen, Ruza?«
    Die Amme gab sich nicht einmal Mühe, ihre Skepsis zu verbergen. Ausgerechnet diese hilflose Schwangere und sie sollten sich einem Basa entgegenstellen? Die Vorstellung erschien ihr
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