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Isis

Isis

Titel: Isis
Autoren: Brigitte Riebe
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mehr ausreichte. Der süßliche Geruch, auch Khay nicht unvertraut, weil er manchmal eifersüchtig darauf bestand, dass sie nicht nur das Kleine, sondern auch ihn koste, schien ihn halbwegs zu beruhigen, denn sein Weinen wurde leiser.
    »Komm her zu mir, mein Sohn!« Basa riss ihn aus Ruzas Armen, und Khay begann erneut loszuschreien. »Das da drinnen ist Weibersache, da haben Männer nichts verloren.
    Verstehe ohnehin einer, weshalb sie partout nicht das prachtvolle Geburtshaus benutzen will, das ich eigens für sie habe errichten lassen. Andere würden sich auf Knien dafür bedanken, aber ihr, der Verwöhnten, ist ja nie etwas gut genug!«
    Sichtlich angewidert schnupperte er an seinem Sohn.
    »Du stinkst ja wie eine ganze Affenherde! Gibt es in diesem Haushalt denn niemanden, der dich sauber halten kann?« Er streckte Khay weit von sich, als fürchte er sich zu besudeln.
    Wie jeden Morgen hatte er sich nach dem Bad mit Mandelöl massieren lassen und anschließend ausgiebig parfümiert.
    Keiner im Haus hätte es gewagt, ihn dabei zu stören. »Neshet, kümmere dich um ihn, aber schnell! Ich muss zum Stadtfürsten. Und mein Großer wird brav sein und tun, was ihm gesagt wird!«
    Scherzhaft zog er an Khays Ohr, was wohl als unbeholfene Zärtlichkeit gedacht war, den Jungen aber noch mehr zu ängstigen schien. Das Schreien steigerte sich zu ohrenbetäubendem Gebrüll. Mit seinen Beinchen hämmerte er gegen den Leib der Alten, die ihn kaum noch halten konnte. Ruza, die erneut tröstend nach dem Jungen greifen wollte, wurde von Basa daran gehindert.
    »Siehst du nicht, dass du hier gebraucht wirst?« Er wies nach drinnen. »Oder willst du lieber zurück in die Gosse? Ich hasse es, enttäuscht zu werden!«
    »Aber das Kleine«, wandte sie ein und versuchte sich gegen die jäh aufsteigende Furcht zu wehren, die sie ganz schwindelig werden ließ. »Ich sollte vielleicht lieber ...«
    »Bist du taub?«
    Wenn Ruza eines in Basas Haus gelernt hatte, dann, zur rechten Zeit den Mund zu halten. Sie zog den Kopf ein, starrte scheinbar demütig zu Boden und betrat das ebenerdige Wöchnerinnenzimmer, dessen Fenster sich zum Garten hin öffneten.
    Drinnen schien die Luft plötzlich schwerer geworden zu sein.
    Keine der beiden Frauen sagte etwas, weder die Hochschwangere, die mit halb geschlossenen Augen vor sich hindämmerte, noch Ruza, die zunächst eine Weile unbehaglich herumstand. Schließlich zog sie die blauen Leinen-
    streifen vor die Fenster, um die zu dieser Jahreszeit schnell aufsteigende Hitze auszusperren, und stellte das benützte Geschirr zusammen. Dabei musste sie aufpassen, weder die Tawaret-Figuren umzuwerfen, die Bildnisse der hochschwangeren Nilpferdgöttin, die in verschwenderischer Anzahl herumstanden, noch auf die Kupfer- und Silberamulette zu treten, die alle dem gleichen Zweck dienen sollten: einer glücklichen, harmonischen Geburt.
    Als sie Sarit Mandelmilch anbot, um das Einsetzen der Wehen anzuregen, verzog diese angeekelt den Mund. Einen Becher Wasser jedoch leerte sie durstig und verlangte nach einem zweiten, den sie ebenso schnell austrank.
    »Willst du nicht aufstehen«, fragte Ruza schließlich, »und dich ein bisschen bewegen? Viele Frauen schwören darauf, und mir hat es auch geholfen.«
    Sie hätte ebenso gut mit einer Wand reden können.
    »Oder soll ich dich kämmen?« Ruza griff nach dem verzierten Elfenbeinkamm. »Dein schönes Haar ist ganz verfilzt.«
    Sarit blickte nicht einmal auf.
    »Ich könnte dich feucht abreiben«, schlug die Amme vor, langsam mutlos, weil ihr bald nichts mehr einfiel. »Das würde dir bestimmt gut tun.«
    Bei jedem Wort war ihr bewusst, dass die Herrin ihr von Anfang an misstraut hatte. An deren Stelle wäre es ihr wohl nicht anders ergangen, bestand doch ein wichtiger Unterschied zwischen ihnen: Sarit konnte sich Launen leisten.
    Sie dagegen war nur ein nicht mehr ganz junges Tanzmädchen gewesen, das ungewollt schwanger geworden war.
    Der Liebste hatte sie vor der Geburt verlassen. Dann war ihr Töchterchen nach wenigen Tagen an der gefürchteten Baa-Krankheit gestorben, die so viele Neugeborene dahinraffte. Betäubt vor Kummer, hatte sie in einer Schenke Arbeit gefunden. Dort hatte Basa sie aufgelesen und als Amme verpflichtet. Und plötzlich schien das Schicksal, mit dem sie so gehadert hatte, sich zu wenden. Wenn das Kleine an ihrer Brust lag und sie seinen warmen Duft einatmete, war in ihrer Vorstellung alles, wie sie es sich immer erträumt hatte: Sie war in
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