Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Isegrim

Isegrim

Titel: Isegrim
Autoren: Antje Babendererde
Vom Netzwerk:
auf die Nerven.«
    Â»Ja.« Er nickt. »Sie ist mir hinterhergelaufen wie ein kleiner Hund. Meine Freunde haben mich ausgelacht, weil jedes Mal meine kleine Schwester aufgetaucht ist, wenn wir zusammen etwas machen wollten.«
    Ich muss mir auf die Lippen beißen, um nicht zu schreien. Weil ich es kaum noch aushalten kann. Weil das alles nach einem furchtbaren Geständnis klingt. Weil ich Olek liebe. Ich liebe ihn, egal, was er gleich sagen wird.
    Â»Und dann war da dieser schreckliche Tag. Meine Freunde und ich, wir haben oft auf Baustelle von unfertige Haus gespielt. Die Leute sind nach Deutschland gegangen, Geld verdienen. Marek hat uns mal erwischt und mir verboten, da zu spielen, weil es war gefährlich.
    An diesem Tag ich bin auf die Baustelle gegangen, obwohl meine Freunde gar nicht dort waren. Marek und ich, wir haben gestritten und ich wollte ihn ärgern. Kamila ist mir wieder nachgelaufen. Sie ging mir auf Nerven. Ich war wütend auf Marek, wollte allein sein. Ich bin auf eine hohe Mauer geklettert und auf ihr balanciert. Ich dachte: Das schafft sie nicht. Aber sie war wie ein kleiner Affe. Sie ist mir hinterhergeklettert. Um sie loszuwerden, bin ich von Mauer gesprungen. Es waren mehr als zwei Meter. Meine Freunde und ich hatten es schon ein paarmal gemacht. Unten am Boden steckten rostige Eisenstäbe im Beton. Ich habe nicht nachgedacht, Jola. Ich wollte nur … Kamila sollte wissen, dass ich schon groß war und sie noch ein kleines Mädchen.«
    Das Elend in seiner Stimme zieht die eiserne Klammer enger um meine Brust, sodass ich kaum noch atmen kann. Für einen Moment sehe ich alles vor mir. Kamila, das kleine blonde Mädchen im blauen Kleid, wie es Olek auf die Baustelle folgt. Genauso, wie Elli mir in den Wald gefolgt ist.
    Â»Sie bekam Angst da oben. Ich glaube, sie wollte umkehren. Dabei hat sie das Gleichgewicht verloren und ist gefallen. Direkt in so eine Eisenstange hinein. Ich habe neben ihr gekniet, als sie starb.
    Der rote Fleck auf ihrer Brust, er sah aus wie eine rote Rose.« Oleks Blick brennt vor Schmerz, Tränen laufen über seine Wangen. Er wischt sich mit dem Handrücken über die Augen. Schluckt. Und schluckt noch einmal. »Ihr letztes Wort war mein Name. Alexander. Der wollte ich nie mehr sein. Ich war ein Verdammter.«
    Ich heule jetzt auch. »Und du bist weggelaufen?«
    Â»Ja. Ich konnte nicht mehr zu ihnen zurück.« Oleks Blick zerschneidet mir das Herz. »Es war meine Schuld. Kamila war tot und es war meine Schuld.«
    Vehement schüttele ich den Kopf. »Nein, Olek. Das war es nicht.« Ich bin so unendlich erleichtert, dass mir ganz schlecht ist. »Es war ein furchtbarer Unfall.«
    Oleks Lippen beben, als wolle er etwas sagen, aber es kommt kein Wort heraus.
    Â»Warum hast du es mir nicht einfach erzählt?«
    Â»Ich dachte, dann … ich dachte, du könntest dann nicht mehr mit mir zusammen sein. Ich hatte Angst, wieder allein sein zu müssen.« Ich beuge mich zu ihm herüber und vergrabe mein Gesicht in seiner Halsbeuge. Hilflos legt Olek seinen Arm um mich. »Ich will nicht mehr allein sein, Jola.«
    Â»Das musst du auch nicht«, flüstere ich an seinem Hals. »Ich versprech’s.«

29. Kapitel
    N och am selben Abend bekomme ich Besuch von Alina. Wir sitzen auf unserer Terrasse und trinken Mas selbst gemachte Zitronenlimonade, während Kater Paul um Alinas Beine streicht und sie eine Zigarette nach der anderen raucht. Stück für Stück erfahre ich etwas über das Leben, das sie nach ihrer Flucht aus Grimmers Verlies geführt hat. Ein Leben in besetzten Häusern und auf der Straße. Keine Schule, kein Arzt, wenn es ihr schlecht ging, kein warmes Bad, wenn ihr kalt war. Auch Olek hat so ein Leben geführt.
    Ich kann meinen Blick nicht von ihr wenden, der Punklady mit den schwarz-roten Haaren, den schwarz umrandeten Augen und den Piercings im Gesicht. Ein Mädchen, das äußerlich in nichts mehr an die Alina erinnert, die ich einmal kannte. Doch der Kater erinnert sich an sie. Er springt auf Alinas Schoß und lässt sich von ihr streicheln.
    Â»Du musst es nicht verstehen, Jola«, sagt sie. »Grimmer hat mich zu einem Nichts gemacht. Ich musste ihm gehorchen, ihm Sätze nachsprechen, dieses idiotische Laurentia-Lied mit ihm singen, ihn … Ich wollte niemandem mehr gehorchen, kapierst du?«
    Â»Aber du warst erst dreizehn, als du
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher