Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Isegrim

Isegrim

Titel: Isegrim
Autoren: Antje Babendererde
Vom Netzwerk:
ihnen zu. »Hallo, Kai.«
    Â»Hi.« Kai setzt Elli auf einem Holztisch ab und wischt sich mit dem Handrücken den Schweiß aus dem Gesicht.
    Â»Was macht dein Bein, Elli?«
    Â»Tut nur noch ein bisschen weh.« Sie schlenkert mit dem verbundenen Bein. »Dein Dieb, er hat eine Zauberpflanze draufgemacht, damit es schneller heilt.« Sie grinst mich an. »Er ist ein lieber Dieb.«
    Ich lächele. Ein lieber Dieb, ja. »Kann ich mal kurz allein mit Kai sprechen, bevor du mit ihm davonreitest?«
    Elli macht einen Schmollmund, sagt aber schließlich: »Na gut.«
    Kai und ich laufen nebeneinander her zur Einfahrt.
    Â»Wie geht es dir?«, fragt er.
    Â»Gut. Ich bin froh, dass das jetzt alles vorbei ist.«
    Er nickt. »Echt krass, das mit Alina.«
    Â»Ja, das ist es.« Ich schaue ihn an. »Kai, ich … es tut mir leid. Ich hätte ehrlich zu dir sein müssen. Ich wollte dir nicht wehtun und …«
    Â»Das hast du aber, Jola. Sehr sogar.«
    Â»Ich weiß.«
    Â»Mir tut es auch leid«, bringt er schließlich hervor und ich merke, wie schwer es ihm fällt, das zu sagen. »Ich habe dich im Stich gelassen, als du mich am meisten gebraucht hast. Das war feige und unfair. Aber ich war so verdammt wütend auf dich. Und auf ihn.«
    Ich nicke und reiche ihm das säuberlich gefaltete Stück schwarzen Stoff, das ich die ganze Zeit in der Hand halte. Er nimmt es und lässt es auseinanderfallen. Es ist sein geliebtes Party Hard -T-Shirt, frisch gewaschen, aber durchsiebt von Schrotkugeln.
    Wortlos legt Kai es wieder zusammen. Ich sehe ihm an, dass er am liebsten im Erdboden versinken würde.
    Â»Trefflich, der Idiot«, brummelt er. »Ich hätte nie gedacht, dass er tatsächlich schießt.«
    Â»Na, seinen Jagdschein, den ist er nun los. Vielleicht muss er sogar ins Gefängnis – wegen unterlassener Hilfeleistung.« Ich weiß inzwischen, dass Kai sofort einen Polizeibeamten über den Vorfall informiert hat, als er an jenem Abend mit seinem Vater und Elli ins Dorf gekommen war.
    Â»Und wie geht es deinem Höhlenbewohner?«
    Â»Ganz gut. Er wohnt jetzt bei Agnes – aber das weißt du ja sicher schon. Mach’s gut, Kai.« Ich wende mich zum Gehen.
    Doch Kai hält mich am Arm fest. »Vielleicht, Jola … vielleicht können wir irgendwann wieder Freunde sein. Aber jetzt brauche ich erst einmal eine Pause.«
    Â»Ja, Kai. Die brauche ich auch.«
    Zwei Tage später treffen Brigitta und Marek in Altenwinkel ein. Ich sehe das Auto mit dem polnischen Kennzeichen vor Agnes’ und Maries Haus stehen, als ich aus dem Dorfladen komme.
    Meine Gedanken sind bei Olek. Wie wird dieses Treffen mit seinen Adoptiveltern nach fast fünf Jahren aussehen? Werden sie ihn hassen, ihre Vorwürfe, ihr Leid über ihm ausschütten? Voller innerer Unruhe schleppe ich mich durch den Tag. Warte darauf, dass Olek anruft oder auftaucht, um mir alles zu erzählen.
    Erst am nächsten Vormittag ist es so weit. Es klingelt und ich bin so schnell an der Tür wie noch nie. Olek trägt nagelneue knielange Shorts und ein braunes T-Shirt mit Knopfleiste. Die Sachen sehen schrecklich bieder aus, bestimmt hat Agnes sie gekauft. Seine Haare sind frisch gewaschen und ich kann nicht anders, ich muss ihn auf der Stelle berühren und küssen.
    Auf einmal merke ich, wie er sich versteift und etwas fixiert, das hinter mir ist. Ich drehe mich um. Auf der Treppe steht wartend meine Mutter.
    Â»Willst du den jungen Mann nicht hereinbitten und mir vorstellen, Jola?«
    Â»Ma, das ist Olek.« Ich schlüpfe in meine Turnschuhe. »Olek, das ist meine Mutter. Kennenlernen könnt ihr euch ja später noch.« Ich schnappe Oleks Hand.
    Â»Wo wollt ihr denn hin?«
    Â»Spazieren.« Ich ziehe Olek hinter mir her.
    Wir laufen den Forstweg in den Wald. Es verspricht, wieder ein heißer Tag zu werden, die Sonne brennt jetzt schon vom strahlend blauen Himmel. Ich halte Oleks Hand, froh darüber, dass wir uns nicht mehr verstecken müssen.
    Obwohl die Neugier mich beinahe umbringt, frage ich nicht nach seinen Adoptiveltern. Wenn Olek so weit ist, wird er von selbst reden.
    Â»Brigitta ist schwanger.«
    Â»Das ist schön.«
    Â»Ja.« Olek lächelt. »Sie freuen sich auf das Kind.«
    Wieder muss ich eine Zeit lang warten, bis er weiterspricht. Wir lassen uns im Gras nieder und Olek rupft einzelne Halme
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher