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Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle

Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle

Titel: Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle
Autoren: Mikka Bender
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die sich gern dem deutschen Alpenverein anschließen und die meiner Gruppe eigentlich gar nicht so unähnlich sahen. Mit einer riesengroßen Ausnahme: Sie waren alle Profis, mit Profiausrüstung, Profigesichtern und hartem Profibenehmen. Und solche Superprofis, denen die Berge überall auf der Welt zu Füßen lagen, also die Vorgebirge zumindest, konnten uns lächerlich aussehende Flachlandtiroler nur höhnisch angucken. Das war doch klar. Wobei mir eines sofort auffiel: Sie stanken schlimmer als wir. Nur Anton und Hans wurden eines Blickes gewürdigt, dann aber auch gleich abgeschrieben. Wer sich mit so einer «Karnevalstruppe» einließ, durfte nicht hoffen, ernst genommen zu werden.
    Die Stimmung in der «Sherpa Kooperative» war entsprechend miserabel. Da halfen nur zwei goldgelbe Rumflaschen, die ich unüberhörbar auf den Tisch stellte. So verging Weihnachten. Wir waren frustriert, aber glücklich, da betrunken. Das feindliche Lager war auch frustriert, aber unglücklich, da keinen Rum. Glücklicherweise schliefen wir in zwei getrennten Schlafsälen.
    Tag für Tag verging, ohne dass sich etwas tat. Silvester näherte sich, und noch immer lag Schnee auf dem Rollfeld. Mittlerweile warteten mehr als 150 Menschen auf einen Flieger, wobei in Lukla die zweimotorigen Twin Otter mit bis zu siebzehn Sitzplätzen landen konnten, davon aber auch nur maximal drei Maschinen am Tag. Denn morgens war ja im Winter Nebel in Kathmandu, oder die Piloten hatten noch zu viel Restalkohol im Blut, da ging gar nichts. Vormittags setzten sich die Flieger in Bewegung, aber ab mittags gab es schon wieder Flugverbot wegen zu starker Thermik und allgemeiner Gefahr von Gewitterzellen.
    Immerhin kannte ich den Chef vom Tower, von früheren Trekkingtouren: Mingma Sherpa. Mingma Sherpa war der mächtigste Mann von Lukla, besaß er doch ein Funkgerät, und mit diesem nahm er einmal am Tag Kontakt mit Kathmandu auf. So konnte ich Silvester einen Funkspruch an den Vertreter meiner nepalesischen Reiseagentur absetzen: «Die Gruppe schwächelt extrem! Zwei schwerstkranke Japaner sind bei uns! Wir brauchen sofort Hilfe!» Die Meldung musste Wirkung zeigen – wenn wohl auch erst im neuen Jahr. Vorher musste gefeiert werden.
    Am Nachmittag fingen wir damit an, mit einer weiteren Lektion in Sachen naturgeographischer Phänomene im noch jungen Himalaya. Es ging um Seiten-, End- und Grundmoränen von Gletschern. Die konnte man angesichts der Sonne mit dem bloßen Auge von unserem Standort aus, dem Flugfeld, in herrlicher Ausprägung oberhalb des Dorfes bewundern. Meine Gruppe hätte mittlerweile an jeder guten deutschen Uni Vorlesungen über das Hochgebirge halten können. Herr und Frau Kawasaki waren selbstverständlich mit dabei, sie hörten auch sehr interessiert zu, verstanden aber nichts, obwohl sie nicht einmal Rum getrunken hatten.
    Meine Gruppe liebte unsere täglichen Vorlesungen. Wir hatten sogar eingeführt, dass nicht nur ich dozieren durfte, sondern auch die anderen, über frei gewählte Themen. Das war natürlich eine Steilvorlage für unsere Lehrer. Wilhelm, Günter, Hartmut und Helmut konnten es sich nicht verkneifen, über «Schülerverhalten gestern und heute» zu referieren. Es wurde ein langes Referat ohne Diskussionsbeiträge, dafür war die Luft immer noch zu dünn und der Inhalt zu schwer.
    Am Silvesterabend servierten uns Sherpa-Frauen in unserer Unterkunft ein Galadinner aus Kartoffeln, Reis und Kartoffeln. Wir nahmen das stoisch hin. Einzige Beunruhigung: Die Bergprofis saßen heute mit an unserem Tisch. Eine Woche hatten wir nicht miteinander gesprochen, obwohl wir unter einem Dach wohnten. Wie sollten wir da ins Reden kommen? Kurzum, ich spendierte eine Flasche Kukri-Rum, und dann wurde es noch ganz nett. Die Sherpas machten Musik, die Vollalpinisten erzählten von ihren tollen Abenteuern, und zum ersten Mal wurden wir gefragt, warum wir augenscheinlich Geld für Rum, aber nichts zum Anziehen hätten. Zum Schluss tanzte ich noch mit der jungen und hübschen Reiseleiterin der Profitrekker, mehr kam nicht in Frage, denn ich war im Job und musste als Trouble-Shooter jederzeit einsatzbereit sein.
    Noch immer gab es wegen Nebel und Schneeregen keine Flüge. Erst am 6. Januar sah es so aus, dass wir vielleicht nicht ewig in diesem Himalaya-Hochtal bleiben mussten. Das Wetter stabilisierte sich, und mittlerweile waren knapp 300 Trekker bereit, jeden zu töten, der mit einem Flieger landen und sie nicht mitnehmen würde, zurück
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