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Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle

Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle

Titel: Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle
Autoren: Mikka Bender
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wunderbar grazil verneigen.
    Schnell wollte Hans nun die peinliche Situation aus der Welt schaffen, deshalb schob er erklärend nach: «Ich weiß, Herr Kawasaki. Aber ‹Witwenmacher› nannte man eine Kawasaki in den sechziger Jahren. Die Maschine hatte zu viele PS, aus diesem Grund sind viele Typen auf ihr aus der Kurve geflogen. Sie haben ihre Frauen zu Witwen gemacht.»
    Herr Kawasaki lächelte immer noch: «Ich verstehe, aber meine Frau ist keine Witwe. Sehen Sie, ich sitze ja hier.»
    Die vier Lehrer bekamen langsam mit, dass die Diskussion ein wenig aus dem Ruder lief. Aber da sie von Witwenmacher-Maschinen genauso viel Ahnung hatten wie Herr Kawasaki und sich wohl nicht blamieren wollten, besprachen sie unter sich das Thema «Unbezahlte Überstunden bei Lehrern». Hans versuchte weiterhin sein Glück bei Herrn Kawasaki, während sein nicht minder hagerer Freund Anton mit einer eindrucksvollen und mir unbekannten Zeichensprache bei Frau Kawasaki Eindruck schinden wollte. Aber das machte ihr nur Angst. Sie verbeugte sich jetzt sehr tief, schaute in die Runde und empfahl sich für die Nacht. Herr Kawasaki folgte ihr.
    Das Feuer qualmte mittlerweile, während die vier Lehrer, Hartmut, Günter, Wilhelm und Norbert, anfingen, ihr Überstunden-Problem auch gegenüber den anderen zu verteidigen. Iris, die Apothekerin, bekam noch mehr rote Flecken im Gesicht, als sie sowieso schon hatte. Seit Jahren litt sie darunter, dass sie sich auf Gruppenreisen ständig mit Lehrern herumschlagen musste.
    «Klar, wenn ihr nur fünfzehn Unterrichtsstunden die Woche habt, dann wird eine anfallende Überstunde gleich zum Drama.» Mit diesem Satz stieg sie in die Diskussion ein, aber auch ganz schnell wieder aus. Die vier Männer fielen wie hungrige Hyänen über sie her, anscheinend hatten sie noch zu viel Luft.
    Ramona, die vierzigjährige Künstlerin mit den roten Locken, die vereinzelt unter ihrer schwarzen Mütze hervorlugten, versuchte der Apothekerin zu Hilfe zu kommen: «Ich finde, Lehrer werden gut bezahlt. Ihr habt lange Ferien, und wenn ihr alt seid, kommt eine schöne Pension aufs Konto.» Eigentlich stimmte alles, aber Ramona hatte das Wort «Ferien» in den Mund genommen. Und auf dieses reagierten Hartmut, Günter, Wilhelm und Norbert jetzt wie der Teufel, wenn man ihm das Kreuz hinhält.
    Günters Aussprache war von Natur aus schon feucht, aber jetzt drohte ihm Dehydration, dabei überschlug sich auch noch seine Stimme: «Wir können das wirklich nicht mehr hören. Immer dieselben Vorurteile, immer dieselben Klischees. Mach du nur eine Stunde Unterricht! Kunst, ja, das mag noch angehen, mit Wasserfarben bunte Kleckse malen, dazu haben die Schüler gerade noch Lust. Aber wenn die einfach die Fenster aufmachen, durchsteigen und nach Hause gehen, weil sie keinen Bock mehr haben, was machst du dann? Und glaubst du, dass wir in den Ferien auf der faulen Haut liegen? Ja? Glaubst du das?»
    «Nein, ihr geht auf Reisen, wie ich sehe», erwiderte Ramona patzig.
    Zwei aus der Gruppe enthielten sich eines Kommentars. Zahnärztin Ingrid, die mit Norbert verheiratet war, schwieg, weil sie zwischen den Stühlen saß, und Joachim, der Apotheker und Mann von Iris, blieb still, weil er immer still blieb. Seine patente und kräftige Frau sprach für zwei, daran hatte er sich inzwischen gewöhnt. Einmal sagte er: «Buddhistische Mönche reden viele Jahre nicht, dennoch sind sie glücklich – und weise.» Joachim war davon aber noch weit entfernt, denn zumindest in seiner Apotheke musste er kommunizieren, das nahm ich jedenfalls an. Er war höflich und hatte freundliche Augen, eigentlich passte er perfekt zu Frau Kawasaki. Wenn sie tatsächlich Witwe gewesen wäre, Joachim hätte ihr gut gestanden.
    Nun geschah, was in Diskussionsrunden auf Reisen keine Ausnahme ist: Die Defensive gab auf. Iris, Ingrid, Joachim und Ramona machten es den Japanern nach, auch Anton und Hans, die sich von ihrem Kawasaki-Schock noch nicht richtig erholt hatten: Sie verabschiedeten sich, nur ohne Verbeugung. Einzig Hartmut, Günter, Wilhelm und Norbert wollten weiter unterhalten werden.
    So war ich gefordert. Ich sollte nun – abrupter Themenwechsel – über das Land der Sherpas referieren, jenes Volks, das im Himalaya lebt und viele Bergsteiger führt, über das Leben von Sir Edmund Hillary, dem Neuseeländer, der als Erster den Mount Everest bestiegen hat, das war 1953 gewesen. Danach wurde es richtig ernst, man stellte mir Fragen zum Yeti-Skalp im
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