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Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle

Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle

Titel: Is Nebensaison, da wird nicht mehr geputzt: Urlaub in der Hölle
Autoren: Mikka Bender
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Kleidern.
    Es war Heiligabend, als wir uns zum Frühstück trafen – und der Schnee rieselte immer noch leise. Ich musste eine Entscheidung treffen. Und die sah wie folgt aus: Zahnbürsten einstecken, wieder auschecken, beim Flugfeld vorbeischauen, hören, ob vielleicht doch ein Pilot Wagemut bewies oder ein paar Yeti-Frauen sich bereit erklären würden, uns auf ihren Brüsten nach Kathmandu zu rutschen. Sollten die Piloten hasenfüßig sein und die Yeti-Frauen uns auch für zu alt halten, gab es noch eine dritte Alternative: ins Sherpadorf Namche Bazar trekken. Dort wären wir knapp 500 Meter tiefer, und das würde unsere Lungen freuen. Zudem wäre das nächste Flugfeld in Lukla nur noch eine Tagesetappe entfernt.

    Nebel, Schnee und Totenstille auf dem Rollfeld von Syangboche machten uns die Entscheidung leicht, zumal Frau Kawasaki uns bei diesem zweiten Anlauf durch den Nebel gefolgt war und jetzt vor uns stand. Ganz offensichtlich wollte sie nicht in ihrem Zimmer mit Aussicht sterben, sondern endlich wieder Sauerstoff aus der Natur atmen. Und das funktionierte nur, wenn sie den Berg verließ – und ich kam ihr da mehr als gelegen. Mir war sofort klar: Wo Frau Kawasaki war, da konnte Herr Kawasaki nicht weit sein. Und so war es auch.
    Nun hatte das Ehepaar Kawasaki im Gegensatz zu meiner Reisegruppe keine Wanderstiefel an den Füßen, sondern ausgesprochen hübsche schwarze Halbschuhe. Es war zum Jammern: eine falsche Ausrüstung, todkrank und keinerlei Möglichkeit einer vernünftigen Verständigung. Dennoch war auch hier ein Entschluss zu fassen: Ich ließ meine Gruppe mit den beiden ostasiatischen Hochalpinisten an der Flughafenbretterbude zurück, rannte allein 400 Höhenmeter hinunter nach Namche Bazar und machte zwei starke Sherpa-Burschen ausfindig. Jedem gab ich umgerechnet vier Mark fünfzig, und damit war der Deal klar. Sie stiegen mit mir hoch. In Syangboche angekommen, nahmen sie die Japaner huckepack, als wären die beiden Reissäcke. Und so zogen wir mit den sozusagen entmündigten Kawasakis als mittlerweile internationale Reisegruppe ins Dorf – man konnte auch sagen: zur Krippe, denn es war ja Weihnachten.
    Als wir in Namche Bazar anlangten, wurde es bereits dunkel, bei minus zehn Grad. Im International Footrest, der Trekkinglodge am Platz, konnten wir nicht nur Zimmer bekommen, sondern auch heißen Tee. Den Rum erstand ich in einem Laden an der Ecke. Die Nepalesen hatten schon immer sehr guten Rum, Kukri-Rum, den ich am liebsten zum Flambieren benutzte. Aber im Tee an Weihnachten war er auch ein Gedicht, ein Weihnachtsgedicht sozusagen.
    «Die große Nepalrundreise für Liebhaber» war zu einem kompletten Desaster geworden, dafür war die Stimmung unter meinen Stretchhosen ausgesprochen gut. Und während sie die sauerstoffgeschwängerte Luft von Namche Bazar genossen, machte ich mich auf die Suche nach den kleinsten gebrauchten Wanderstiefeln des Ortes. Ich fand auch welche, und mit ihnen konnte ich den Kawasakis eine richtig schöne Bescherung bereiten, was sie aber nach der Freude zur Erkenntnis veranlasste, dass ab morgen wieder selbständiges Laufen angesagt war.
    Am ersten Weihnachtstag war es bitterkalt, aber bei strahlendem Sonnenschein und glitzerndem Schnee. Zum Frühstück gab es Porridge mit Tee und Rum. Obwohl Nepal nie britische Kolonie war, im Gegensatz zu Indien, hat Porridge seinen Weg in den Hochhimalaya gefunden. Ich habe Sir Edmund Hillary im Verdacht. Die Neuseeländer essen auch diesen Schleim.
    Nach dem Frühstück zogen wir los in Richtung nächstes Rollfeld. Nach sechs Stunden Wanderung und drei Tee-Rum-Stops lag dann Lukla vor uns, verschneit, vernebelt, vereinsamt. Lukla sieht aber immer deprimierend aus: an den Hang geklatschte flache Steinhütten, dazwischen die steil ansteigende Flugpiste.
    In der «Sherpa Kooperative» fanden wir Unterkunft, wobei ich feststellte, dass Lukla gar nicht so vereinsamt war, wie es aus der Ferne den Anschein gehabt hatte. Der Ort war brechend voll mit Trekkern, die alle nur das eine wollten: zurück nach Kathmandu, und zwar mit dem Flieger. Das schlechte Wetter hatte zu einem Rückstau von über hundert Wanderern und Bergsteigern geführt. Alle hatten gültige Tickets, teilweise schon Bordkarten. Alle, außer uns. Aber das war nicht das Schlimmste. Das Schlimmste war, dass wir Aussatz hatten. Also zumindest so behandelt wurden, als hätten wir welchen. Vor allem von unseren Landsleuten, den Deutschen. Und da vor allem von denen,
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