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Irrsinn

Irrsinn

Titel: Irrsinn
Autoren: Dean R. Koontz
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Beutelratte verweist nie auf glückliche Umstände.«
    »Das ist mir auch schon aufgefallen.«
    »Besonders nicht, wenn ihre Nase nach Norden weist und ihr Schwanz nach Osten.«
    Es dauerte nicht lange, da strömten durstige Männer durch die Tür, als wäre Ivy die Fata Morgana einer Oase gewesen, die sie den ganzen Tag verfolgt hatten. Nur wenige setzten sich an den Tresen, die anderen ließen sich von ihr an den Tischen bedienen.
    Obgleich die gutbürgerliche Kundschaft der Kneipe durchaus nicht verschwenderisch veranlagt war, überstieg Ivys Einko m men an Trinkgeld das, was sie mit einem Doktortitel in Wirtschaftswissenschaft verdient hätte.
    Eine Stunde später, um fünf, kam Shirley Trueblood, die zweite Kellnerin, zum Dienst. Shirley war sechsundfünfzig und korpulent, sie duftete nach Jasmin und hatte ihre eigene Gefol g schaft. Gewisse Männer kamen in die Kneipe, weil sie bemuttert werden wollten. Manche Frauen ebenfalls.
    Ben Vernon, der tagsüber arbeitende Koch, ging nach Hause, und sein Kollege Ramon Padillo kam an Bord. Es gab lediglich typisches Kneipenfutter: Cheeseburger, Pommes, Chicken Wings, Quesadillas, Nachos und so weiter.
    Ramon war aufgefallen, dass sich die scharf gewürzten Sachen an Abenden, an denen Ivy Elgin bediente, besser verkauften als sonst. Die Gäste bestellten mehr Sachen in pfeffriger Tomate n sauce, verbrauchten massenhaft kleine Fläschchen Tabasco und ließen sich ihre Burger mit gehackten Chilischoten belegen.
    »Ich glaube«, hatte Ramon einmal zu Billy gesagt, »die heizen unbewusst ihren Geschlechtsdrüsen ein, damit sie bereit sind, falls Ivy sie anmachen sollte.«
    »Niemand in diesem Laden hat bei ihr eine Chance«, hatte Billy ihm versichert.
    »Das weiß man nie«, hatte Ramon verschämt bemerkt.
    »Sag mir bloß nicht, du lässt dir auch Chili in den Burger packen!«
    »So viel, dass ich manchmal furchtbares Sodbrennen kriege«, hatte Ramon gesagt. »Aber ich bin bereit. «
    Gemeinsam mit Ramon kam Steve Zillis, der zweite Barke e per, dessen Schicht sich um eine Stunde mit der von Billy überschnitt. Mit seinen vierundzwanzig Jahren war er zehn Jahre jünger als Billy, aber zwanzig Jahre unreifer.
    Für Steve bestand der Gipfel des gepflegten Humors aus einem Limerick, der obszön genug war, um erwachsene Männer erröten zu lassen.
    Er konnte mit der Zunge einen Knoten in einen Kirsch-Stängel machen, sein rechtes Nasenloch mit Erdnüssen laden, um diese treffsicher in ein Zielglas abzufeuern, sowie Zigarettenrauch aus dem rechten Ohr blasen.
    Wie üblich schwang sich Steve elegant über die Schwingtür im Tresen, statt hindurchzugehen. »Sei mir gegrüßt, Blutsbr u der!«, sagte er. »Na, was geht ab?«
    »Noch eine Stunde«, sagte Billy, »dann gehört mein Leben wieder mir.«
    »Das ist das Leben«, protestierte Steve. »Hier sind wir im Mittelpunkt der Action!«
    Das Tragische an Steve Zillis war, dass er meinte, was er sagte. Für ihn war diese stinknormale Kneipe eine Bühne voller Glamour.
    Nachdem er sich eine Schürze umgebunden hatte, schnappte er sich aus einer Schale drei Oliven, jonglierte sie in erstaunlichem Tempo und fing sie dann nacheinander mit dem Mund auf.
    Als zwei am Tresen hockende Besoffene laut klatschten, sonnte Steve sich in ihrem Applaus, als wäre er der Startenor eines renommierten Opernhauses und hätte soeben die Vere h rung eines hochgebildeten Publikums erworben.
    Obwohl es ziemlich nervig war, mit Steve Zillis zusammenz u arbeiten, verging die letzte Stunde von Billys Schicht wie im Flug. Beide Barkeeper waren ständig beschäftigt, weil die Nachmittagspichler sich mit dem Heimweg Zeit ließen, während schon die Abendsäufer eintrafen.
    In dieser Übergangszeit fühlte Billy sich an seinem Arbeit s platz am wohlsten. Die Gäste waren noch bei klarem Verstand und vergnügter als später, wenn der Alkohol sie melancholisch machte.
    Weil die Fenster nach Osten gingen und die Sonne nun im Westen stand, lag ein ganz weiches Licht auf den Fenstersche i ben. Die Deckenlampen warfen einen kupferfarbenen Glanz auf das dunkelrote Mahagoni der Täfelung und der Sitznischen.
    Die Luft war schwanger vom Duft des mit schalem Bier, Kerzenwachs, Cheeseburgern und gebratenen Zwiebelringen imprägnierten Parketts. Trotzdem gefiel es Billy nicht gut genug, als dass er nach dem Ende seiner Schicht geblieben wäre. Pünktlich um sieben trat er aus der Tür. Wäre er Steve Zillis gewesen, dann hätte er aus seinem Abgang eine Show gemacht. So
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