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Intrusion

Intrusion

Titel: Intrusion
Autoren: Will Elliott
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für das Vaterland gekämpft! Versuch du mal, mit Metallsplittern im Rücken einen Job zu kriegen.« Vor sich hin murmelnd, nahm der Mann den Umschlag in Empfang, den Herbert ihm reichte, und stampfte aus dem Postamt. Die Glocke über dem Eingang schepperte, als er die Tür zuschlug.
    »Opa?«, fragte Aden. »Kannst du mich sehen?«
    Herbert schaute stirnrunzelnd auf. Dann trafen sich ihre Blicke, und er lächelte. »Aden! Was machst du hier? Ich hatte keine Ahnung, dass du schon geboren bist.«
    Die Wartenden in der Schlange unterhielten sich, ohne auf ihr Gespräch zu achten. »Welches … welches Jahr haben wir denn?«, fragte Aden.
    »1966.« Wieder runzelte Herbert die Stirn. »Hast du Schwierigkeiten mit der Zeitrechnung? Moment noch, mein Junge, ich kümmere mich gleich um dich.« Er wandte seine Aufmerksamkeit dem nächsten Kunden zu, der ärgerlich mit den Fingern auf das Schalterbrett trommelte.
    Als Aden an der Schlange vorbei zum Ausgang ging, hörte er, wie die Leute über die Hitze jammerten. Draußen erwartete er eine Straße mit viel Verkehr, aber stattdessen stand er unvermittelt in einem Wohnzimmer. Herbert Keenan saß in einem Lehnstuhl. Er trug ein weißes Unterhemd und fuhr sich mit einer Hand durch das schüttere Haar. Eine Frau, in der Aden seine Großmutter erkannte, goss einen Farn. Die beiden waren Ende vierzig, vielleicht auch Anfang fünfzig. Und sie schienen gerade zu streiten.
    »Ich weiß, dass sie erwachsen ist«, sagte Herbert. » Ich hatte nie Probleme damit. Und ich weiß, dass sie immer genau das Gegenteil von dem tun wird, was wir ihr raten. Aber warum kann ich dir nicht sagen, was ich denke? Ganz unter uns.«
    »Du kannst mir alles sagen«, entgegnete sie. »Aber ich weiß, dass es nicht dabei bleiben wird. Ich kenne dich, Herb. Du wirst deine Meinung nicht für dich behalten. Und dieser Mann wird in Kürze unser Sohn.«
    »Der Popstar«, höhnte Herb. »Will er das Vollzeit oder nur gelegentlich machen? Sie wird ihn ernähren müssen. Wir werden ihn ernähren müssen.«
    »Das ändert sich, sobald sie ihre Morgenübelkeit kriegt.«
    Herb seufzte schwer. Dann schaute er auf und sah Aden an der Tür stehen. »Tut mir leid, Aden«, sagte er. »Das war eigentlich nicht für deine Ohren bestimmt. Dein Vater … er war letztendlich ein guter Mensch. Hat es zumindest versucht.«
    »Oma?«, fragte Aden.
    Sie schien ihn weder zu hören noch zu sehen. »Versprich mir, dass du bei der Hochzeit die Form wahrst. Dass du deine Meinung für dich behältst. Bitte. Mir passt auch so manches nicht. Ich muss auch so manches schlucken.«
    »Ich habe schon jetzt jede Menge geschluckt. Auch dir gegenüber. Keine Sorge, ich schaffe das schon«, sagte Herb. »Aden, bitte. Ein anderes Mal?«
    Aden nickte, wandte sich ab und ging durch die Tür. Erinnerungen?, überlegte er. Erinnerungen. Die Erinnerungen eines alten Mannes.
    Der nächste Raum war ein Schlafzimmer. Er sah nackte Körper, hörte Stöhnen und Keuchen und machte auf dem Absatz kehrt. Eine gedämpfte Stimme: »War da was?«
    Diesmal trat er auf eine Straße hinaus, mit Oldtimern aus den 50er Jahren. Herbert, vielleicht zwanzig, schick mit Anzug und Krawatte, fuhr auf einem Fahrrad einen steilen Hügel hinunter, verlor das Gleichgewicht und krachte in ein geparktes Auto. Er flog über den Lenker und landete mit einem dumpfen Aufprall und schlitterte über den Asphalt. Er setzte sich auf, einen Arm an den Körper gepresst. Aden rannte los, um ihm aufzuhelfen, aber die Szene wechselte.
    Eine Besprechung. Augenscheinlich hatte es einen heftigen Streit gegeben. Die Atmosphäre war angespannt. Grimmige Gesichter, vier Männer um einen Tisch, einer davon Herbert in mittleren Jahren. Ein fünfter Mann hielt den Kopf gesenkt. »Sie werden mich einsperren«, sagte er mit erstickter Stimme. Tränen stiegen ihm in die Augen.
    »Wir haben kaum eine Wahl«, meinte Herbert.
    »Sie können das Geld nicht zurückzahlen, oder?«, fragte ein anderer Mann.
    »Wir wissen, dass du eine Familie hast«, sagte Herbert. »Das macht die Sache für uns nicht leichter. Vielleicht hättest du dir das vorher überlegen sollen. Wenn es einen einfachen Weg aus dieser Sache gäbe, würden wir ihn einschlagen. Aber so …«
    Die Szene wechselte. Herbert, grauhaarig in einem Lehnstuhl sitzend, las aus einem großen Bilderbuch vor, das auf seinen Knien lag. Zwei kleine Kinder hockten im Schneidersitz vor ihm auf dem Fußboden. Sie hatten die Augen weit aufgerissen und hörten
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