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Intruder 6

Intruder 6

Titel: Intruder 6
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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das Haus durch die Hintertür verlassen und gut zehn Minuten bis zu der Stelle gebraucht, an der er am vergangenen Abend das Motorrad versteckt hatte, weit genug von Bannermanns kleinem Privatgefängnis entfernt, dass man das Motorengeräusch dort selbst in der morgendlichen Stille nicht hören würde. Früher einmal hatte dieser Ort direkten Zugang zum Highway 91 gehabt, aber diese Interstate war auf gerade mal ein Zehntel ihrer ursprünglichen Länge zusammen-geschrumpft.
    Mike hatte gestern Abend der Straßenbeschreibung entnom-men, dass die 91 in diesem Dreistaatendreieck zwischen Utah, Arizona und Nevada durch die neuere Interstate 15 ersetzt worden war; nur noch zwischen St. George und Littlefield war ein längeres Stück der alten Strecke durchgehend befahrbar.
    Sanora war also nicht nur eine Geisterstadt, es lag auch an einer Geisterstraße. Strong und Bannermann hatten diesen Ort nicht von ungefähr für ihren kleinen Hinterhalt ausgesucht.
    Obwohl Mike sich die Karte aufmerksam eingeprägt und eine Beschreibung hatte, nach der er sein Ziel gar nicht verfehlen konnte, nahm er das herausgerissene Blatt noch einmal hervor und studierte es aufmerksam. Der Weg war nicht sehr weit -
    zwei Meilen, etwas über drei Kilometer -, aber er würde ein Stück durch die Wüste fahren müssen, abseits der befestigten Strecke, und das bereitete ihm Sorgen. Er fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken, einen schweren Chopper statt einer Motocrossmaschine im Slalom zwischen Büschen, Kaninche n-löchern und Felsbrocken hindurchzulenken. Seine rechte Hand tat jetzt zwar nicht mehr so weh wie gestern, war jedoch weiter angeschwollen und kaum noch zu benutzen.
    Aber wenn er die Straße benutzte, lief er Gefahr, zu früh gesehen zu werden, und dann war sein Plan gescheitert, bevor er ihn überhaupt in Angriff genommen hatte. Mit einem unguten Gefühl schwang er sich in den Sattel, startete den Motor und blieb gut anderthalb oder zwei Minuten stehen, bis die Maschine richtig warm gelaufen war und rund lief. Erst dann setzte er den Helm auf, streifte die Handschuhe über und fuhr los.
    Es war schwer, aber nicht so schwer, wie er erwartet hatte.
    Mike fuhr langsam, weil er keinen Sturz riskieren wollte, und erreichte sicher die Felsgruppe neben der Straße, hinter der er die beiden anderen Maschinen versteckt ha tte. Noch etwa zehn Minuten, bis Bannermann vorbeikommen würde! Er lenkte die Intruder hinter die fast haushohen, geborstenen Felsen, stieg ab und ging zur Straße und dann noch einmal gut hundert Schritte in Richtung Sanora zurück, bevor er stehen blieb und sich davon überzeugte, dass die Motorräder von hier aus auch tatsächlich nicht zu sehen waren.
    Eine ganze Weile stand er einfach so da und blickte in die Richtung, aus der Bannermann und sein Deputy mit Stefan und Frank kommen mussten, dann wandte er sic h mit einem entschlossenen Ruck um und ging zu seinem Versteck zurück.
    Es waren jetzt nur noch wenige Minuten.
    Zeit genug für eine Zigarette.
    Der Gedanke entstand mit der Selbstverständlichkeit einer dreißig Jahre alten Gewohnheit in seinem Kopf, und er griff ganz automatisch in die Jackentasche.
    Erst als er den rauen Kunststoff des Revolvergriffs statt der erwarteten Zigarettenpackung ertastete, wurde ihm klar, was er gerade getan hatte. Er schüttelte ärgerlich den Kopf. Dann lächelte er. Statt der gewohnten Packung West oder Marlboro hatte er einen Revolver Kaliber 38 in der Tasche seiner Lederjacke; er fragte sich, was tödlicher war.
    Er zog die Hand leer heraus, drehte sich abermals um und ging bis zum Ende des monströsen Felsgebildes zurück, weit genug, um die Straße überblicken zu können. Irgendwo dicht vor dem formlosen Fleck am Horizont, der Sanora war, blitzte es kurz und silberhell auf; ein Lichtstrahl, der sich auf dem Metall des Streifenwagens oder auf Glas gebrochen hatte.
    Bannermann war pünktlich. Mikes Hand kroch ohne sein Zutun in die Jackentasche und schmiegte sich um den Revo lvergriff, aber das beruhigende Gefühl stellte sich nicht mehr ein. Er spürte nur noch harten Kunststoff, der nicht mehr als Katalysator für seine Angst diente, sondern sie im Gegenteil zu schüren schien.
    Wieder schimmerte ein Lichtblitz auf halbem Wege zwischen ihm und dem Horizont, und obwohl erst ein paar Sekunden seit dem ersten Mal verstrichen waren, schien er ihm diesmal bereits deutlich näher zu sein. Die Straße schlug zwar einen großen Bogen, aber es waren nur wenige Kilometer, und Bannermann
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