Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Intruder 6

Intruder 6

Titel: Intruder 6
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
dass es nichts mehr zu verlieren, aber unendlich viel zu gewinnen gibt.
    Der Wendigo hob den Arm, um den Tomahawk zu schleudern. Sein Gesicht hörte auf zu bluten. In seinen Augen loderte der Zorn noch einmal und höher denn je auf, aber er schien mit einem Mal nicht mehr die Kraft zu haben, die begonnene Bewegung zu Ende zu führen. Der Tomahawk verharrte zitternd hoch über seinem Kopf, und Mike konnte sehen, wie sich die müden alten Muskeln des geliehenen Körpers bis zum Äußersten anspannten. Der Angriff, auf den er wartete, kam jedoch nicht. Das Gesicht des Wendigo verzerrte sich zu einer Grimasse aus Wut und unmenschlicher körperlicher Anstrengung, aber er war nicht in der Lage, seine Waffe zu schleudern.
    Etwas hinderte ihn daran.
    »Nein«, sagte Mike, ruhig und sehr, sehr entschlossen.
    »Nimm mich oder geh! Ihn bekommst du nicht.«
    Der Wendigo zitterte jetzt am ganzen Körper. Ein sonderbarer, wimmernder Laut kam über seine Lippen, eine Mischung aus Wut, Enttäuschung und nie gekannter Machtlosigkeit. Er war noch immer nicht fähig, seine Bewegung zu Ende zu bringen. Langsam, keuchend vor Anstrengung und Hass, ließ er den Arm wieder sinken, tastete mit seiner anderen Hand über sein zerschnittenes Gesicht und versuchte nun tatsächlich, die losen Fleischfetzen mit den Fingern zusammenzufügen, ohne dass diese Anstrengung allerdings von sehr viel Erfolg gekrönt gewesen wäre.
    Und schließlich gab er auf. Zitternd wich er vor Mike zurück.
    Hinter ihm wurde das Wabern und Flimmern der Grenze zwischen den Wirklichkeiten wieder stärker, und zum dritten Mal blickte Mike in eine andere, durch und durch fremde Welt.
    Diesmal war es nicht die rote Wüste, die die Anasazi ver-schlungen hatte, sondern ein Universum von solcher Fremdar-tigkeit, dass sein Verstand sich weigerte, zu begreifen, was seine Augen ihm zeigten. Er wusste nur, dass das Universum, in das er blickte, aus nichts anderem als Hass und Qual und nicht enden wollender Einsamkeit bestand.
    Langsam, Schritt für Schritt wich der Wendigo weiter vor ihm zurück. Seine rechte Hand umklammerte immer noch den Griff des blutigen Tomahawks. Er zitterte vor Anstrengung.
    Seine Macht war gebrochen. Es gab nichts mehr, was er Mike noch ant un konnte. Selbst ihn zu töten war jetzt unmöglich geworden.
    Und schließlich, lautlos, schnell und vollkommen undramatisch, verschwand der Wendigo. Mit ihm erlosch auch das schwarze Licht, und Mike blickte wieder auf die leere Wand des Büros.
    »Großer Gott«, flüsterte Frank hinter ihm. »Das ... kann nicht sein. Sag mir, dass das nicht sein kann!«
    Mike wollte sich zu ihm umdrehen, konnte es aber nicht.
    Plötzlich fühlte er sich müde, so unendlich müde und erschöpft wie nie zuvor in seinem Leben. Seine Knie begannen zu zittern. Nun, wo alles vorüber war, begann auch sein Herz wieder schneller zu schlagen, härter und von dünnen, immer quälender werdenden Stichen begleitet. Vielleicht würde er am Ende doch noch mit dem Leben für dieses Abenteuer bezahlen müssen? Erstaunlicherweise erschreckte ihn diese Vorstellung nicht mehr. Er hatte den größten Kampf gewonnen, den ein Mensch überhaupt gewinnen konnte, und er wusste nun, dass es keinen Grund gab, den Tod zu fürchten, weil er den Beweis, dass jenseits der greifbaren Realität noch etwas anderes existierte, mit eigenen Augen gesehen hatte. Und nicht nur er.
    Jemand hämmerte gegen die Tür. Das Geräusch riss ihn weit genug in die Wirklichkeit zurück, dass er zumindest die Kraft fand, sich einmal um seine Achse zu drehen und sich umzusehen. Das Büro bot einen entsetzlichen Anblick. Die Tür war erstaunlicherweise unversehrt und offensichtlich verschlossen, wie das immer wütender werdende Hämmern von draußen bewies, und zusammen mit dem Wendigo war auch sein Höllenmotorrad verschwunden. Die Leichen des Polizisten, Strongs und Bannermanns lagen jedoch unverändert und mit all ihren grausigen Verstümmelungen da. Der Boden zwischen Mike und der Stelle, an der der Wendigo verschwunden war, schwamm regelrecht vor Blut.
    »Und wie um alles in der Welt sollen wir das erklären?«, fragte Frank.
    Mike hätte um ein Haar gelacht. Als ob das im Moment auch nur die geringste Rolle spielte! Er hatte den Teufel besiegt!
    Welche Rolle spielte es da, was mit ihm geschah?
    Das Hämmern an der Tür wurde noch lauter, und Mike hörte eine befehlende Stimme, die irgendetwas in Englisch schrie.
    Als er sich zur Tür umdrehte, klaffte die Wand daneben
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher