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Inspector Alan Banks 09 Das blutige Erbe

Titel: Inspector Alan Banks 09 Das blutige Erbe
Autoren: Peter Robinson
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Kneipengerangel begonnen, vermutete Banks, oder vielleicht hatte das Opfer mit seinem Geld herumgewedelt. Während er Dr. Burns beobachtete, der das zerschundene Gesicht des Jungen untersuchte, stellte sich Banks vor, wie es passiert sein könnte: Der verängstigte Junge, der vielleicht davon-rennt, als ihm bewusst wird, dass außer Kontrolle gerät, was ganz harmlos begonnen hat. Wie viele sind hinter ihm her? Wahrscheinlich mindestens zwei. Vielleicht drei oder vier. Er rennt im Regen durch die dunklen, verlassenen Straßen, platscht durch Pfützen, ohne seine nassen Füße wahrzunehmen. Ist ihm klar, dass sie ihn töten werden? Oder hat er einfach nur Angst, verprügelt zu werden?
      Wie auch immer, er sieht die Gasse, glaubt es zu schaffen, glaubt, türmen zu können und wohlbehalten nach Hause zu kommen, doch es ist zu spät. Er wird niedergeschlagen oder zum Straucheln gebracht, er sinkt zu Boden, und plötzlich wird sein Gesicht auf den regennassen Stein gedrückt, auf die Kippen und den Unrat. Er kann Blut, Staub und Laub schmecken und spürt mit der Zunge einen angeschlagenen Zahn. Und dann fühlt er einen heftigen Schmerz in der Seite, einen weiteren im Rücken, in seinem Bauch, seiner Leiste, dann treten sie gegen seinen Kopf, als wäre es ein Fußball. Er versucht zu sprechen, zu bitten, zu flehen, aber er bekommt kein Wort hervor, sein Mund ist voller Blut. Und schließlich verliert er die Besinnung. Kein Schmerz mehr. Keine Angst mehr. Nichts mehr.
      Vielleicht war es so passiert. Andererseits könnten sie ihm auch aufgelauert haben, könnten die Gasse an beiden Seiten versperrt und ihn umzingelt haben. Einige von Banks' Vorgesetzten fanden, er hätte zu viel Fantasie, obwohl er der Meinung war, dass sie immer hilfreich gewesen war. Die meisten Leute wären überrascht, wenn sie wüssten, wie viel von dem, was sie für sorgfältige, logische Polizeiarbeit hielten, im Grunde auf nichts anderes zurückzuführen war als auf eine Vermutung, eine Ahnung oder eine plötzliche Eingebung.
      Banks schüttelte seinen Gedankengang ab und widmete sich wieder der zu erledigenden Arbeit. Dr. Burns kniete noch vor dem Jungen und leuchtete mit einer kleinen Taschenlampe in seinen Mund. Für Banks sah er aus wie ein Pfund rohes Hackfleisch. Er wandte sich ab.
      Also eine Kneipenprügelei? Obwohl die normalerweise nicht tödlich endeten, waren Prügeleien an einem Samstagabend nichts Ungewöhnliches in Eastvale. Besonders dann, wenn ein paar Jungs aus den umliegenden Dörfern kamen, die heiß darauf waren, den arroganten Städtern ihre körperliche Überlegenheit zu demonstrieren.
      Sie reisten schon früh an, um am Nachmittag ein Spiel von Eastvale United oder der Rugbymannschaft anzuschauen, und wenn sie nach der Sperrstunde aus den Pubs geworfen wurden, waren sie für gewöhnlich aufgestachelt, provozierten die anderen in den Schlangen der Fish-and-Chips-Imbisse und pöbelten streitsüchtig jeden Erstbesten an. Es lief immer nach dem gleichen Muster ab: »Was gibt es zu glotzen?« - »Nichts.« - »Ich bin nichts, oder was?« Nach Möglichkeit hielt man sich da besser heraus.
      Um Mitternacht waren die meisten Säufer allerdings bereits nach Hause verschwunden, es sei denn, sie waren in einen von Eastvales zwei Nachtclubs weitergezogen, wo man für ein geringes Eintrittsgeld eingelassen wurde, einen ungenießbaren Hamburger erhielt, unablässig mit ohrenbetäubender Musik beschallt wurde und, was am wichtigsten war, die Möglichkeit hatte, bis um drei Uhr am Morgen wässriges Lagerbier herunterzukippen.
      Nicht dass Banks kein Mitgefühl für das Opfer hatte - schließlich war der Junge irgendjemandes Sohn -, doch diesen Fall würde man wohl nur dann lösen, dachte er, wenn man durch die einschlägigen Pubs zog und herausfand, wo er getrunken und wen er gegen sich aufgebracht hatte. Das war vielleicht eine Aufgabe für Sergeant Hatchley, bestimmt aber keine für einen durchnässten Chief Inspector, der immer noch Bizets einschmeichelnde Melodien im Ohr hatte und dessen einziger Wunsch es war, in ein warmes Bett neben eine Frau zu kriechen, die wahrscheinlich immer noch kein Wort mit ihm sprechen würde.
      Dr. Burns beendete seine Untersuchung und kam zu ihm. Burns übernahm die Untersuchungen am Tatort immer dann, wenn der zuständige Pathologe, Dr. Glendenning, nicht verfügbar war. Für diese Arbeit sah er wesentlich zu jung und unschuldig aus - mit seinem runden Gesicht, den freundlichen,
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