Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Inspector Alan Banks 06 Das verschwundene Lächeln

Titel: Inspector Alan Banks 06 Das verschwundene Lächeln
Autoren: Peter Robinson
Vom Netzwerk:
sich seine zusammengebündelten Kleider: ein blauer Mantel, eine rosafarbene Strickjacke, ein rotgrüner Schottenrock. Anstelle von John Kilbride hatten sie die Leiche der zehnjährigen Lesley Ann Downey gefunden, ein weiteres Opfer des Paares, das später als die »Moor-Mörder« in die Geschichte eingegangen war: Ian Brady und Myra Hindley.
      Irgendwie hatte sich dieser Tag mehr als jeder andere in Gristhorpes Gedächtnis eingegraben. Manchmal vergingen Monate oder ganze Jahre, ohne dass er an dieses Erlebnis denken musste, aber sobald etwas Ähnliches passierte, war die Erinnerung an das Grauen wieder da. Es war, als würde er wieder oben im Moor stehen und den Arm aus dem Morast hervorragen sehen, diesen Arm, der zu winken oder auf etwas zu zeigen schien.
      In den letzten Jahren hatte er nur einmal an jenen Tag gedacht, als nämlich ein sechzehnjähriges Mädchen aus einem der Dörfer in Swainsdale verschwunden war und vermisst wurde. Und nun waren zwei Menschen, ein Mann und eine Frau - genauso wie damals Brady und Hindley - dreist und unverschämt in ein Haus der Siedlung am östlichen Stadtrand marschiert und hatten eine Siebenjährige entführt.
      Während Gristhorpe die enge North Market Street hinabfuhr, vorbei an der Stadthalle, den erleuchteten Schaufenstern der Touristenläden, vorbei am Gemeindezentrum, umklammerte er das Lenkrad so fest, dass seine Knöchel sich weiß färbten. In seinem Kopf hörte er wieder die Stimme des kleinen Mädchens von dem Band, das Brady und Hindley aufgenommen hatten, bevor sie sie ermordeten: Lesley Ann, die weinte und flehend nach ihrer Mami und ihrem Papi rief; Brady, der ihr befahl, sie solle sich etwas in den Mund stecken, da er ein Foto von ihr machen wolle. Und dann die verfluchte Musik, dieses verfluchte Stück Musik, »Der kleine Trommler«. Seitdem konnte Gristhorpe nie wieder in Ruhe Musik hören, ohne in seinem Kopf das kleine Mädchen um Gnade schreien und winseln zu hören. Um lästige Erklärungen zu vermeiden, ließ er seitdem jeden glauben, er habe keinen Sinn für Musik.
      Er steuerte seinen Wagen auf den Parkplatz hinter dem Revier, einem alten Gebäude mit einer Tudorfassade am Marktplatz von Eastvale, und blieb ein paar Augenblicke sitzen, um sich zu beruhigen und die Erinnerung abzuschütteln. Und bevor er hineinging, sprach er, etwas verlegen, da er im Grunde kein religiöser Mensch war, ein stilles Gebet. Er betete darum, dass sich diese Angelegenheit in nichts, aber auch gar nichts mit dem Fall der Moor-Mörder vergleichen ließe. Für Gedanken an den Ruhestand war jetzt jedenfalls keine Zeit mehr.
     
    * III
     
    Als Banks die Straße zum Barleycorn hinabging, schaute er sich die Reihe der schier ununterscheidbaren roten Backsteinhäuser an. Man konnte es nicht anders sagen: Diese Siedlung am Ostrand der Stadt war eine Katastrophe. Manche Mieter hatten die Häuser gekauft, als die ThatcherRegierung sie veräußert hatte, und viele hatten ihr Haus mit einem weißen Zaun, ein wenig Farbe oder sogar einem Mansardenfenster verschönert. Aber alles in allem war es eine schäbige Gegend geblieben, mit von Müll übersäten Vorgärten, umgekippten Kinderdreirädern auf der Straße und streunenden Hunden voller Geschwüre, die die Bürgersteige verdreckten, kläfften und nach jedem Passanten schnappten.
      Und das Barleycorn war der typische Pub für eine solche Wohngegend, angefangen bei seinem fantasielosen Namen und dem gedrungenen Flachdach bis hin zur Jukebox, den Videospielen und dem schlecht gelagerten Fassbier.
      Banks stieß die Tür auf und schaute sich um. Aus der Jukebox plärrte viel zu laut Little Richards »Good Golly Miss Molly«. Die Registrierkasse rappelte. Die meisten Tische waren leer, nur an der Theke standen ein paar unermüdliche Trinker.
      Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, bemerkte Banks, dass ihn alle Leute anstarrten. Und plötzlich machte sich ein Mann in Richtung Hinterausgang aus dem Staub. Sofort jagte Banks hinter ihm her, stieß mit seinem Knie gegen einen Stuhl und kippte ihn im Weiterlaufen um. Kurz bevor der Mann den Ausgang erreicht hatte, bekam Banks ihn an der Schulter zu fassen. Der Mann versuchte sich loszureißen, aber Banks hielt ihn fest, wirbelte ihn herum und schlug ihm einmal kräftig in die Magengrube. Der andere stöhnte auf und krümmte sich zusammen. Banks packte ihn am Ellbogen und half ihm ungefähr so zu einem Tisch, wie man ältere Mitbürger über die Straße
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher