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Inspector Alan Banks 06 Das verschwundene Lächeln

Titel: Inspector Alan Banks 06 Das verschwundene Lächeln
Autoren: Peter Robinson
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suchen, kam er sich ziemlich töricht vor. Wie in einer Geschichte von Edgar Allan Poe, dachte er.
      Doch dann wurde er fündig: ein perfekt in das Holz eingelassener Messingriegel, links auf der Rückseite des größten Brettes. Als wäre er erst kürzlich geölt worden, ließ er sich leicht zurückschieben, woraufhin sich das gesamte Bücherregal wie eine Tür an Scharnieren von der Wand wegdrehte. Vor ihm zeichnete sich eine dunkle Öffnung mit einer hinabführenden, ausgetretenen Steintreppe ab.
      Banks rief nach einer Taschenlampe, erhielt sie und trat in die Öffnung. An einem Haken zu seiner Linken hing ein Ring mit zwei Schlüsseln. Im Vorbeigehen nahm er sie mit.
      Am Boden der Stufen führte ein unebener, feuchter Gang weiter, wahrscheinlich weit weg vom Haus, um den Wanderpriestern damals eine Fluchtmöglichkeit zu bieten. Banks leuchtete mit seiner Taschenlampe nach vorn und sah, dass der Gang nach wenigen Metern von Trümmern blockiert war. Aber die beiden schweren Holztüren links und rechts des Ganges sahen ohnehin viel interessanter aus. Zuerst versuchte Banks, die Tür auf der rechten Seite zu öffnen. Sie war verschlossen. Mit angehaltenem Atem und klopfendem Herzen probierte er die Schlüssel. Der zweite passte.
      Die Scharniere quietschten ein bisschen, als er die Tür langsam aufdrückte. In der Dunkelheit herumtastend, fand er einen Lichtschalter, eine nackte Glühbirne ging an und erhellte einen kleinen, quadratischen Raum mit weiß getünchten Wänden. In der Mitte stand ein Ledersessel mit einer Fußstütze, die herausglitt, wenn man sich hineinsetzte, und davor stand ein Fernsehapparat mit angeschlossenem Videorekorder. Banks bezweifelte, dass Priesterverstecke mit Elektrizität versorgt gewesen waren, Harkness musste sich also die Mühe gemacht haben, eigenhändig Kabel in seine Privathöhle zu verlegen. In einem Gestell neben dem Sessel entdeckte Banks ein Sortiment pornografischer Magazine, in denen ausnahmslos Kinder widerlichen und erniedrigenden Handlungen unterworfen waren. In dem Schränkchen unter dem Videorekorder befanden sich eine Reihe Videokassetten ähnlicher Natur.
      Als Banks zurück auf den Gang ging und vor die andere Tür trat, fragte er sich ängstlich, was er wohl vorfinden würde. Er steckte den zweiten Schlüssel in das Schloss - es ließ sich mühelos öffnen. Dieses Mal musste er nicht nach einem Lichtschalter tasten. An der Seite des engen Bettes stand eine kleine Tischlampe mit einem orangefarbenen Schirm. Daneben lagen ein Buch mit Kindergeschichten und ein Pillenfläschchen. Die Wände waren mit der gleichen Tünche wie der andere Raum gestrichen, aber eine Flickendecke mit stilisierten Urwaldtieren - Löwen, Tigern und Leoparden mit freundlichen, menschlichen Gesichtszügen - bedeckte die kleine, reglose Gestalt auf dem Bett.
      Es war Gemma Scupham, daran gab es keinen Zweifel.
      Zwischen den schmutzigen Flicken konnte Banks nur einen Teil ihres Gesichtes erkennen und es sah weiß aus. Sie lag bewegungslos auf ihrem Rücken, ihr rechter Arm war über den Kopf erhoben. Auf der blassen Haut der Innenseite ihres Armes verlief die Narbe eines schmalen Schnittes.
      Banks konnte keinen Atem, kein Leben spüren. Er bückte sich, um genauer hinzuschauen. Als er so über Gemma gebeugt stand, glaubte er, eines ihrer Augenlider zucken zu sehen. Er erstarrte. Da passierte es wieder.
      »Mein Gott«, murmelte er zu sich selbst, und als er in Ehrfurcht hinabschaute, bildete sich eine Träne, kullerte aus Gemmas Augenwinkel und hinterließ eine saubere und glänzende Spur auf ihrer schmutzigen Wange.
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