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Insel der Träumer

Insel der Träumer

Titel: Insel der Träumer
Autoren: Horst Hoffmann
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links zirkulierten die Strudel, und voraus türmte sich der Wall aus Schaum und Wasser viele Mannslängen hoch auf. Mitten hinein riss es die Männer, die die Ruder hochgezogen hatten und Gebete sprachen, hilflos dem Willen ihrer Götter ausgeliefert.
    *
    Das Boot schaukelte auf den Wellen wie eine Nussschale. Die Männer klammerten sich an den aus Planken gefertigten Sitzbalken fest oder legten sich flach auf den Boden. Sadagar hielt die Stange des Steuerruders im aussichtslosen Bemühen, auf den Kurs einzuwirken. Wasser spritzte viele Mannslängen hoch und schwappte über die Todesmutigen hinweg. Schauer aus silbern sprühender Gischt durchnässten sie bis auf die Knochen. Mythor und einige andere waren unaufhörlich dabei, das Wasser aus dem Rumpf zu schöpfen, in eigens dafür mitgebrachten Bottichen, während das Schiff herumgewirbelt und gerüttelt wurde. Unglaublich schnell schoss es dahin, mit der Gegenströmung zum Strudel, in einer Rinne von vielleicht hundert Fuß Breite, einem mächtigen Strom, der alles mit sich fort riss, was er einmal erfasst hatte. Hoch, drohend und doch gleichermaßen erhaben türmten sich die Wasser zu beiden Seiten dieser Strömung, und Mythor wusste, dass sie in dem Augenblick zusammenschlagen würden, in dem die unbegreiflichen Kräfte sich erschöpften, die den Strudel in dieser Nacht öffneten.
    Die Männer schrien und flehten ihre Götter um Beistand an. Mythor schwitzte trotz der Eiseskälte, schöpfte Wasser und wusste doch, dass all sein Bemühen umsonst sein musste, würde das Boot nicht bald in ruhigere Gewässer gespült werden. Doch immer neue Wassermassen schoben sich heran, hoben es an und schleuderten es herum. Die Männer wussten bald nicht mehr, in welche Richtung die rasende Fahrt ging. Weiter fort von der Insel oder um sie herum, wieder auf die tödlichen Klippen zu?
    Zu allem Überfluss hob plötzlich ein Sturm an, der an den Haaren und Kleidern zerrte und die Eiseskälte bis in die Herzen trieb. Die Schreie gingen unter im Tosen der Gewalten. Nichts war mehr zu sehen als Wasser und Schaum, eine gleißende, heulende Hölle, in der das winzige Boot hoffnungslos verloren schien.
    Mythor kämpfte. Er wusste, dass er lebte, solange Kraft in seinen Armen war. Wie ein Besessener schöpfte er Wasser, rutschte auf den nassen Planken aus und klammerte sich verzweifelt an den Brettern fest. Hinter sich sah er schemenhaft den Steinmann, wie er neben der Ruderstange lag und den Kopf in den Armen verbarg.
    Noch klirrender wurde die Kälte, und rüttelte an seinem bebenden Körper. Plötzlich riss der Himmel auf. Blitze zuckten herab und spalteten das nachtdunkle Firmament. Der Sturm heulte eine schaurige Melodie. Donner rollte schwer über die See. Mythor presste die Hände an die Ohren, lag auf dem Rücken unter einer der schmalen Sitzbänke und hörte sein Schreien nicht.
    Irgendwann traf das Verhängnis das Boot, schnell und unerwartet. Eine Woge schob sich unter den Kiel und schien es den Sternen entgegenschieben zu wollen. Zu beiden Seiten wichen die Wasser zurück, sammelten sich in neuen Strudeln, türmten sich auf und begruben das Boot unter sich, als es, haltlos geworden, in den schäumenden Abgrund fiel und auseinanderbrach.
    Mythor erlebte das Ende nicht mehr bei Bewusstsein. An eine Planke geklammert, riss es ihn fort, spülte ihn an die Oberfläche und wirbelte ihn herum wie eine Puppe.
    *
    Als er das Bewusstsein wiedererlangte, brannte eine heiße Sonne auf ihn herab. Irgend etwas fühlte er zwischen den Armen, die noch taub waren, ganz ohne Gefühl bis auf…
    Eine Planke, ein Stück aus den Trümmern des Bootes. Er lag darauf, ein Bein darüber geschoben und beide Arme fest darum geschlungen. Mythor hob den Kopf. In kleinen Bächen rann ihm das Wasser aus dem Haar, das über den Augen und im Nacken klebte. Er musste husten und spucken.
    Er sah Meer, nichts als Meer bis hin zum Horizont. Kleine Wellen umspülten ihn, Millionen tanzender Lichter erwiderten den Gruß der Sonne. Und ein Gruß war es, den das Gestirn zu ihm herabschickte und ihn willkommen hieß unter den Lebenden.
    Er schrie auf, als die Erinnerung in ihm erwachte und die Benommenheit verdrängte. Er rutschte ab und schlug um sich wie ein Ertrinkender, wobei allmählich das Gefühl in seine Glieder zurückkehrte. Ausgelaugt war er und hungrig, furchtbar hungrig! Wie lange schon trieb er hier, in einem ruhigen Meer, weitab von Sarmara und dem Strudel? Wo waren die anderen? Wie viele hatten gleich
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