Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Insel der Träumer

Insel der Träumer

Titel: Insel der Träumer
Autoren: Horst Hoffmann
Vom Netzwerk:
Zunge. Unwillkürlich fuhr seine Hand über die nackte Brust, dort, wo sich einmal Fronjas Bildnis befunden hatte. Dann winkte er ab. »Sicher hast du recht, Chrandor. So wird es sein.«
    Er verließ den Schatten der Hütten. Die Sonne brannte heiß auf den freien Platz herab. Auch Mythor hatte sich wie die meisten bis auf den kurzen Fellrock seiner Bekleidung entledigt. Der Sand brannte ihm zwischen den Zehen. Er folgte dem Pfad im schulterhohen blauen Gras bis zum Strand hinunter. Große Falter und Käfer waren überall. Die Luft war erfüllt vom Zirpen der Grillen und dem Gesang wunderschöner Vögel. Kleine Pelztiere krochen flink an Mythor hoch und setzten sich zutraulich auf seine Schultern.
    Nein, dachte er in plötzlich aufwallender Bitterkeit, als ihm wieder zum Bewusstsein kam, dass er Logghard erreichen musste – musste! Ich bin nirgendwohin auf dem Weg. Ich bin ein Gefangener dieser Insel, die irgendwann einmal aus dem Meer auftauchte; verurteilt zum Glücklichsein!
    Er stieß eine Verwünschung aus und teilte das Gras mit den Händen. Sofort stieg ein kleiner Schwarm von Leuchtkäfern auf und umschwirrte ihn summend.
    Vieles hatte er in Sarphand über die Strudelsee gehört, doch nie war die Rede von der Insel Sarmara gewesen. Es war, als gehöre dieses Eiland überhaupt nicht zu der Welt, aus der er kam. Aber war dies nicht nur die Bestätigung dafür, dass es keinen Weg von hier zurückgab? Dass noch niemand von hier entkommen konnte, um in den Hafenstädten des Innenmeers Kunde von diesem Paradies zu verbreiten? .
    Die Wasser des mächtigen Strudels waren ein unüberwindlicher Wall um Sarmara – unüberwindlich für Menschen. Jener Gegner, den Mythor mehr fürchtete als alle anderen, würde sich aber kaum von ihm zurückhalten lassen. Einer der Deddeth…
    Wann würde er hier erscheinen, um erneut nach ihm zu greifen? Und wie sollte er ihn besiegen, bevor er noch mächtiger wurde?
    Es schien, als wehre sich die Welt um Mythor herum gegen solcherlei bange Gedanken. Das Zwitschern der Vögel riss Mythor aus ihnen heraus. Tiere kamen und sahen ihn aus großen Augen an, als wollten sie ihm zu verstehen geben, dass es nichts gab, was er hier zu fürchten brauchte.
    Und doch war es ein Trugbild, das seine Sinne ihm vermittelten. Mythor spürte es, so, wie andere einen Wetterumschlag spürten. Nirgendwo fiel einem Menschen alles, was sein Herz begehrte, einfach in den Schoß. Doch hier kamen die Tiere freiwillig zur Schlachtbank, wenn jemand nur den Wunsch nach einem knusprigen Braten äußerte. Saftige Früchte senkten sich aus den Wipfeln der Bäume herab, wenn die Mädchen und Frauen mit ihren geflochtenen Körben in den Wald gingen, und die Fische sprangen den Männern am Strand in die Netze. Und mehr noch: Nach der Ankunft der Schiffbrüchigen hatte kein einziger Mann zur Axt greifen müssen, um neue Hütten zu bauen. Die Behausungen waren über Nacht entstanden, wie von Geisterhand geschaffen. Mythor erinnerte sich daran, dass Sadagar ihn aufforderte, mit in den Wald zu gehen, um Holz zu schlagen. Wenig später holte er ihn vom Strand fort und zeigte ihm das Wunder.
    All dies konnte nicht mit rechten Dingen zugehen. Mythors erste Vermutung, Unbekannte könnten – aus welchen Gründen auch immer – den Menschen diese Wunder vorgaukeln, hatte sich als falsch erwiesen, nachdem der Sohn des Kometen zusammen mit Sadagar und Golad Fuß für Fuß des Eilands abgesucht hatte, bis er zu den Steilfelsen an der Bucht kam, in der das Wrack der Gasihara lag.
    Hier lebte niemand außer den gestrandeten Seefahrern vieler Schiffe, die in den Sarmara-Strudel geraten waren -und den Frauen. Es gab fast ebenso viele wie Männer. Nilomburs Auskunft, dass sie ehemalige Sklavinnen seien, die von Sarphand aus in den Süden verschifft werden sollten, konnte Mythor nicht befriedigen.
    Durch dichtes Buschwerk gelangte Mythor zum Strand. Fast genau an jener Stelle, an der er, gefangen in einem ledernen Sack, an Land geschwemmt worden war, stand der Steinmann neben einem Berg von Fischen. Andere Männer tauchten nach Schwämmen und riesigen Muscheln, die berauschende Melodien ins Ohr bliesen, wenn man sie an den Kopf hielt.
    Berauschend…
    Berauschend wie der Wein, wie der Duft der Blüten – wie alles an diesem Ort.
    Beim Anblick der lachenden Männer verstärkte sich Mythors Unbehagen. Warum konnte er sich nicht an diesem Bild des Friedens erfreuen? Weil er ahnte, dass der Tag kommen würde, an dem die Berauschten jäh aus
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher