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Insel der Träumer

Insel der Träumer

Titel: Insel der Träumer
Autoren: Horst Hoffmann
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Unbekannte ihn in einen Hinterhalt locken wollte, hätte er dies oben auf bequemere Weise tun können. Er wollte, dass er ihm folgte, denn auch hier lagen die weißen Fäden aus Nilomburs Lendenschurz. Aber wieso war er dann geflohen?
    Gab es etwas, das er ihm nur hier zeigen konnte?
    Er ging bis zum Ende der Felsleiste und überzeugte sich davon, dass es dort keine Spalten oder sonstige Verstecke mehr gab, in denen ihm jemand auflauern könnte. Der Fremde befand sich in der Höhle. Er wartete auf ihn – mit einem Messer in der Hand?
    Mythor versuchte, das Dunkel des Eingangs mit Blicken zu durchdringen, aber zu spärlich war das Licht der untergehenden Sonne, das den Himmel im Süden blutrot färbte. Nun zögerte er nicht länger. Vorsichtig, nach jedem Schritt haltmachend, betrat er die Höhle. Bald war er von völliger Dunkelheit umgeben, als der Gang einen Knick machte. Er tastete sich langsam weiter vor. Er hielt sich mit dem Rücken an einer Wand und ließ die Hände über das feuchte Gestein gleiten. Nichts rührte sich. Seine eigenen Atemzüge waren die einzigen, die erhörte.
    Schon begannen sich erneut Zweifel in ihm zu regen, als er plötzlich etwas Spitzes, Kaltes an seiner Kehle fühlte.
    »Nicht weiter, mein Freund!« sagte eine Stimme aus dem Dunkel heraus, und Mythor blieb stehen, wagte kaum mehr zu atmen und versuchte verzweifelt, sich daran zu erinnern, zu wem diese Stimme gehörte. Denn er kannte sie, doch hier klang sie dumpf und hohl.
    Er hätte die Klinge und den Arm, der sie hielt, leicht zurückschlagen können. Doch dann hätte er wieder ganz am Anfang gestanden. Wenn der andere ihn töten wollte, hätte er es jetzt tun können. Wer war er, und was wollte er von ihm? Was hatte er mit Nilomburs Verschwinden zu tun?
    »Du sagst nichts mehr?« hörte er. »Du willst nicht mehr mit mir reden?«
    »Deine Stimme…«
    Irgend etwas schwang in ihr mit, was Mythor nicht einordnen konnte. Aber sie verriet Angst, große Angst vor ihm. Die Hand mit der Klinge zitterte. »Du hast also überlebt, Krieger. Niemand kann das, der nicht mit den Mächten der Finsternis im Bunde ist!«
    Da fiel es Mythor wie Schuppen von den Augen. »Rachamon!« stieß er überrascht hervor. »Aber die Männer sagten, du seist…«
    »Tot?« Der Magier lachte, doch es war das Lachen eines Menschen, der zutiefst geistig verwirrt war. »Natürlich, sie sahen ja, wie ich über Bord ging. Aber du wirst sterben, du und das, was dich besitzt! Nicht noch einmal wirst du die Gasihara ins Verderben führen. Nimm einen letzten Atemzug! Dann…«
    »Schluss mit dem Unsinn!«
    Blitzschnell schlug Mythor den Arm des Magiers zur Seite; packte ihn und entwand ihm das Messer. Rachamon schrie gellend auf und wollte fliehen, doch Mythors Griff war eisern. Er legte den linken Arm um den Hals des Seemagiers und setzte nun diesem das Messer an die Kehle.
    »Und nun wirst du uns Licht machen!« befahl der Sohn des Kometen. »Du kannst es doch. Ich will dich sehen, Rachamon, und was du noch hier versteckt hast!«
    »Nein!« schrie der Magier in höchstem Entsetzen.
    »O doch! Du hast dir nicht die Mühe gemacht, mich hierherzulocken, um mich dann zu töten. Du versteckst etwas, und du weißt etwas über diese Insel, Rachamon! Heraus damit, oder…«
    Der Widerstand des Magiers brach. Mythor lockerte seinen Griff etwas und ließ sich von Rachamon tiefer in die Höhle führen, auf jede Heimtücke gefasst. Als dann ein Stab in Rachamons Hand an der Spitze aufglühte und den Docht einer Öllampe anzündete, als die Höhle in sparsames Licht getaucht wurde, stieß Mythor einen Laut grenzenloser Überraschung aus.
    Die Öllampe ruhte auf einem aus Wrackteilen roh zusammengezimmerten Tisch, vor dem zwei kleinere Kisten standen. Darum herum lagen überall auf dem Boden magische Banner und Fetische der Weißen Magie. Mythor erfasste deren Bedeutung nicht, doch dies alles wirkte auf ihn wie eine kleine Festung. Zweifellos wollte Rachamon sich hier vor etwas schützen – aber wovor?
    Und nichts war zu sehen von Nilombur oder dem Paar, das ebenfalls dem geheimnisvollen Ruf gefolgt war.
    Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass Rachamon sich außer dem Messer keine weiteren Waffen aus dem Wrack besorgt hatte, ließ er den Magier los und stieß ihn von sich. Rachamon ging in die Knie, richtete sich auf und starrte Mythor aus irren Augen an.
    Er hat den Verstand verloren! durchfuhr es den Sohn des Kometen. Aber sein Tun ist auf ein ganz bestimmtes Ziel
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