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Insel der Träumer

Insel der Träumer

Titel: Insel der Träumer
Autoren: Horst Hoffmann
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gerichtet! Also muss er zumindest zeitweise noch wache Momente haben!
    Und er hatte furchtbare Angst vor ihm. Mythor brauchte nicht lange zu überlegen, um zu wissen, warum.
    »Hör zu, Magier«, sagte er. »Ich kann mich nicht mehr an das erinnern, was geschah, bevor ich in dem Ledersack über Bord geworfen wurde. Aber ich nehme an, du hast erkannt, dass ich von einem Schatten verfolgt wurde. Er ist fort, Rachamon.« Mythor deutete auf die Fetische am Boden. »Oder glaubst du, dass ich sonst hier vor dir stehen könnte?«
    Rachamon wich ein paar Schritte zurück. Noch immer stand Entsetzen in seinen Augen. Seine Lippen bewegten sich, aber er brachte kein Wort heraus.
    »Mich interessiert jetzt nicht, wie du dich retten konntest«, fuhr Mythor eindringlich fort. »Ich will wissen, was auf Sarmara geschieht. Du hast etwas herausgefunden, und du wolltest… Hilfe herbeiholen, indem du die Spur legtest?« Mythor sprang vor und packte den Magier bei den Schultern. Beschwörend sagte er: »Rachamon, ich bin vielleicht der einzige Mensch weit und breit, der noch klar denken kann!«
    Alle Überheblichkeit war aus dem Gesicht des Seemagiers verschwunden. Dieser Mann musste Unvorstellbares durchgemacht haben, etwas, das ihn krank gemacht hatte an Seele und Leib. Er war nur noch ein bebendes Bündel Elend. Mythor ließ ihn los, als er alle Ablehnung aus seinem Blick schwinden sah.
    Rachamon ließ sich auf eine der Kisten sinken und schlug die Hände vor die Augen. »Ich… habe meine Macht verloren!« begann Rachamon schluchzend.
    Mythor hatte Mühe, die Worte zu verstehen, die nun aus ihm heraussprudelten. Doch er hütete sich davor, den Magier zu unterbrechen. Erst musste Rachamon sich von der Seele reden, was schwer wie Blei auf ihr lastete. Vielleicht brachte ihn dies in die Wirklichkeit zurück. Mythor hoffte es inbrünstig, denn stärker als je zuvor spürte er, dass etwas Grauenvolles die Menschen auf der Insel bedrohte.
    So hörte er, wie Rachamon fast bis zuletzt versucht hatte, die Lichtfähre wieder aus dem Strudel herauszubringen, und wie er, als er sein Scheitern einsehen musste, mehr und mehr dem Wahnsinn verfiel, die Ruderer und die Legionäre unter Deck mit sich in den Tod reißen wollte und schließlich selbst über Bord ging, besessen von der Wahnidee, im Zentrum des Strudels warte eine ungeheure Machtfülle auf ihn.
    Statt dessen hatte er Land vorgefunden. Rachamon wusste nicht zu sagen, wie er sich vor dem Ertrinken hatte retten können. Aber als er zwischen den Klippen lag, waren die Stimmen verschwunden, die ihm eine Erfüllung im Tod vorgegaukelt hatten. Geistig umnachtet hatte er die Höhle gefunden und mehrere Tage in ihr verbracht, bis ihn das Grauen aus seiner Starre riss .
    »Es ist hier«, flüsterte Rachamon. »Überall, Mythor! Du spürst es nicht, weil es durch meine Magie noch daran gehindert wird, sich in die Höhle zu schleichen. Ja, Krieger, ich mag die Macht über Winde und Strömungen verloren haben, aber was mir geblieben ist, reicht aus, um mich hier zu schützen. Ihr alle wisst nichts von ihm, denn es wiegt euch in Sicherheit, bis…«
    »Bis?« fragte Mythor schnell.
    Rachamon sah ihn aus fieberglänzenden Augen an. »Du bist wirklich nicht mehr… besessen?«
    »Du weißt es, Magier!«
    Zögernd nickte Rachamon. »Ja, ich würde es spüren, so, wie ich es auf der Gasihara spürte. Du musst etwas Besonderes haben, wenn du den Schatten bannen konntest. Vielleicht würde es dir auch gelingen…«
    »Was, Rachamon? Was bedroht uns?«
    »Eine Macht«, flüsterte der Magier. »Eine dämonische Macht, die den Menschen ein Paradies vorgaukelt. Aber es ist alles nur ein Traum! Dieses Paradies ist in Wahrheit ein Ort der Verdammnis. Ich habe es als einziger erkannt, und deshalb sucht das Böse mich zu zerstören. Ich muss all meine Kraft aufbringen, um die Trugbilder zu durchschauen, die mich verderben wollen, wenn ich den Schutz dieser Höhle verlasse.«
    »So wie vorhin«, murmelte Mythor. Er setzte sich auf die zweite Kiste und sah dem Magier in die Augen, unter denen sich dunkle Ringe abzeichneten. Die blakende Lampe warf unheimliche Schatten, dass Mythor hin und wieder herumfuhr und glaubte, etwas schleiche lautlos herein.
    »Wie vorhin«, flüsterte Rachamon. »Aber ich musste dich hierherbringen. Die Erinnerung ließ mich oft schwanken.« Der Magier beugte sich weit vor und legte eine Hand auf Mythors Arm. Beschwörend sagte er: »Auch du wirst von nun an in großer Gefahr sein, denn das
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